Die Tücken des Straßenbahnfahrens?

Diskussionen zur Technik der Straßenbahn
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Sithis
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Die Tücken des Straßenbahnfahrens?

Beitrag von Sithis »

Da ich vor einer Weile bei der BKB mitgefahren bin, hörte ich den Fahrer bei der Einweisung eines Ehrenlokführers sagen, daß man den Fahrschalter nicht zu stark durchdrehen dürfe, da sonst wohl die Widerstände verbrennen. Nun sind die BKB-Fahrzeuge ja vom Antrieb her technisch identisch mit den Gothawagen, Rekos etc.

Ist es wirklich so knifflig, einen solchen Wagen zu fahren? Das heißt ja, man braucht ziemliches Feingefühl dafür.
Zynismus ist der geglückte Versuch, die Welt zu sehen, wie sie wirklich ist. - Jean Genet

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Paul
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Re: Die Tücken des Straßenbahnfahrens?

Beitrag von Paul »

Sithis hat geschrieben:Da ich vor einer Weile bei der BKB mitgefahren bin, hörte ich den Fahrer bei der Einweisung eines Ehrenlokführers sagen, daß man den Fahrschalter nicht zu stark durchdrehen dürfe, da sonst wohl die Widerstände verbrennen. Nun sind die BKB-Fahrzeuge ja vom Antrieb her technisch identisch mit den Gothawagen, Rekos etc.

Ist es wirklich so knifflig, einen solchen Wagen zu fahren? Das heißt ja, man braucht ziemliches Feingefühl dafür.
Wahrscheinlich meinte er, dass nicht so schnell geschalten werden soll. Aber deswegen brennen die Widerstände nicht durch. Maximal löst der Wagenautomat aus. Probleme mit den Widerständen gibt es nur, wenn zulange auf einer Widerstandsstufe gefahren wird. Feingefühl ist auf jeden Fall wichtig. Durch den Fahrschalter fließt die volle Fahrspannung. Unsauberes Schalten führt zur Funkenbildung im Fahrschalter und damit zu Brandstellen an den Kontakten. Im Extremfall kann es zum Fahrschalterbrand kommen.
Fahren ist im allgemeinen nicht das Problem. Bremsen ist schwieriger.
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Sithis
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Re: Die Tücken des Straßenbahnfahrens?

Beitrag von Sithis »

Ich glaube, so ähnlich war auch die Erklärung, habe es jetzt nicht mehr so in Erinnerung. War wohl auch von Funkenbildung die Rede.
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M73
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Re: Die Tücken des Straßenbahnfahrens?

Beitrag von M73 »

So wurde es mal mir erklärt:

Mit den Fahrhebel der M und P-Wagen (München) wird ja noch der gesamte Fahrstrom geschalten (Ausnahme bei einigen M-Wagen mit Schütz-Ansteuerung) Das Problem liegt beim Trennen des Kontaktes der Fahrstufe, aus der heraus man in eine andere schalten möchte. Hier kann, wenn z.B. nicht entschlossen genug durchgeschalten wird, ein Lichtbogen stehen bleiben, der zu Kontaktabbrand führt. Ist der Abbrand entsprechend hoch, ist das Schaltwerk nicht oder nur eingeschränkt nutzbar. Bei den P-Wagen wird das über eine Fallnockenscheibe weitgehend unterbunden – Der Fahrhebel "fällt" beim Einlegen in eine Fahrstufe in die "negative" Nocke. Will man jetzt in die nächste Fahrstufe Schalten, muß man eine gewisse Kraft aufwenden, um den Fahrhebel aus der "negativen" Nocke zu drücken. Der Aufbau der Fallnockenscheibe sorgt dafür, daß der Fahrhebel immer nur in einer Fahrstufe stehen bleiben kann, normal nicht zwischen den Stufen. Dadurch rutscht der Fahrhebel relativ schnell in die nächste Nocke weiter und sorgt so für eine funkenarme Schaltung. Bei den M-Wagen war noch eine Schaltkulisse verwendet worden, die zwar in jeder Fahrstufe einrasstet, aber es auch möglich war, den Fahrhebel zwischen den Stufen zu halten. Mit der Zeit entwickelten die Stadtwerke die Kulisse weiter und es entstand die Fallnockenscheibe, die bei den letzten M-Wägen und den P-Wägen serienmäßig eingebaut wurde.
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myhli
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Re: Die Tücken des Straßenbahnfahrens?

Beitrag von myhli »

Einfaches fliesend schalten ist die lösung, mann sollte aber nicht vorm schalten auf die zweite fahrgruppe stehn bleiben.
:mrgreen:

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tx2402
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Re: Die Tücken des Straßenbahnfahrens?

Beitrag von tx2402 »

Z.B. Rekos:
Hierbei handelt es sich um einen Nockenfahrschalter mit 18 Fahr- und (wenn ich es recht in Erinnerung habe) 13 Bremsstufen.
Dabei sind die 9. und 18. Fahrstufe sog. Dauerfahrstufen.
Das kann man wörtlich nehmen.
Das Problem des Lichtbogens wurde schon angesprochen.
Wichtig ist dabei auch, daß die einzelnen Schaltstufen zügig durchgeschaltet werden.
Hinter vorgehaltener Hand wurde damals gemunkelt, daß wegen Material- und Ersatzteilmangels auf Schaltkontakte auch gern mal verzichtet wurde.
So ganz kann ich das nicht glauben.
Schließlich müßten dann alle Widerstände neu verschaltet worden sein.
Aber im Osten gab es damals schon die skurrilsten Dinge.

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M73
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Re: Die Tücken des Straßenbahnfahrens?

Beitrag von M73 »

Hinter vorgehaltener Hand wurde damals gemunkelt, daß wegen Material- und Ersatzteilmangels auf Schaltkontakte auch gern mal verzichtet wurde.
Ich könnte mir denken, daß die Kontaktflächen nicht legiert wurden, sondern das blanke Eisen auf einander geschliffen wurde.
In der Arbeit haben wir einen Satz 55KW-Pumpen. Deren Schützkontakte brennen relativ schnell weg - der Schütz schaltet eine ganze Zeit noch einwandfrei durch, obwohl die Messinglegierung der Kontaktflächen schon abgebrannt ist. Jedoch ist dann der Lichtbogen beim Schalten bereits durch das geschlossene Gehäuse sichtbar.
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tx2402
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Re: Die Tücken des Straßenbahnfahrens?

Beitrag von tx2402 »

Ist denkbar.
Zwar ist mir selbst kein Fahrschalterbrand bekannt, aber Daddy hatte immer mal wieder davon berichtet.
Sind wohl aber alle glimpflich ausgegangen.

Die Teile bei den Rekos waren eh ziemlich störanfällig.
Aber größere Probleme soll's wohl bei den TDE gegeben haben.
Aber da steck ich nicht so drin.

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Sithis
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Re: Die Tücken des Straßenbahnfahrens?

Beitrag von Sithis »

Aber größere Probleme soll's wohl bei den TDE gegeben haben.
Hast du das jetzt aus dem Handbuch von "Straßenbahn Köpenick" für den MSTS? Mit den Funken und dem Rauftreten? ;-)

PS:
Ist zwar leicht OT, aber bitte "Vater" und nicht "Daddy"...wir sind ja nicht in einem amerikanischen Forum.
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tx2402
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Re: Die Tücken des Straßenbahnfahrens?

Beitrag von tx2402 »

Nee, vom DVN, bzw. einem ehemaligen TDE-Fahrer.
Insofern ist aber der Passus im erwähnten Handbuch richtig.
Übrigens war mir die "Technik" des TDE-Fahrens lange unbekannt.
Und was "Daddy" betrifft:
Du hast schon recht.
Das war auch eher als Koseform gemeint.

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M73
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Re: Die Tücken des Straßenbahnfahrens?

Beitrag von M73 »

...Schützkontakte brennen relativ schnell weg...
...Messinglegierung der Kontaktflächen schon abgebrannt ist...
...kein Fahrschalterbrand bekannt, ...
Um Mißverständnisse zu vermeiden, eine kleine Erklärung:
Kontakt Abbrand und Fahrschalterbrand sind zwei verwandte aber verschiedene Ereignisse.

Jeder Schaltkontakt unterliegt einem gewissen Abbrand; man könnte auch Verschleiß sagen. Bei jedem Schaltvorgang, besonders beim Abschalten "brennt" der abreisende Lichtbogen einen Teil des Kontaktmaterials heraus, meist nur im µ-Bereich aber immerhin. Nach einer gewissen Anzahl der Schaltungen ist das Kontaktmaterial, oft eine Legierung aus Messing oder der Gleichen(ja Messing ist auch schon eine Legierung, kann jedoch noch weiter veredelt werden), abgebrannt, das heißt verbraucht. Beim verlassen der Toleranzgrenze kann es zu Fehlfunktionen beim Schalten führen. Bleibt der Kontakt aus irgendeinem Grund ungünstig zwischen den klaren Schaltstufen stehen, kann der dauerhafte Abbrand auch mal zum Fahrschalterbrand führen.

Dagegen beim Fahrschalterbrand handelt es sich um ein Schadensereignis, welches eine umgehende Instandsetzung nötig macht. Meist reist der Lichtbogen beim Abschalten einer Stufe aus irgendeinem Grunde nicht ab und führt zu einer "unzulässigen Erwärmung", bis ein Teil im Schalter, häufig die Isolierung des angeschlossenen Drahtes, Feuer fängt. Mit etwas Glück verlischt aber das Feuer nach kurzer Zeit bereist wieder. Aber auch andere Faktoren können einen Fahrschalter brennen lassen. z.B. Pfusch bei Zusammenbau oder Wartung (Übergangswiederstand von der Kontaktplatte zur Verkabelung) oder Isolationsschäden an der Verkabelung. In extremen Fällen kann auch der Fahrschalterbrand eine ganze Trambahn "einäschern"
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Möckern-Peter
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Re: Die Tücken des Straßenbahnfahrens?

Beitrag von Möckern-Peter »

18 u. 13 Stufen, wie tx erwähnte, sind völlig richtig! (Weil er sich der Zahlen nicht ganz sicher war: ich bestätige sie hier.)

Die Technik aller StNFB1*-Kurbel- und ähnlich betriebenen Fahrzeuge (*Straßenbahn-Nocken-Fahrschalter,Bauart1) basiert im Grunde auf der Zeit um 1912! Ist also, Weiterentwicklungen mal ausgeklammert - bewährte Uralt-Technik, von daher simpel. Simpel in der Bedienung, simpel in der Wartung. Nur Fachmann sollte man schon sein... Da ist nicht viel dran; ergo kann auch nicht viel kaputtgehen. Dass Kontaktfinger sich abschleifen, mal gewechselt werden müssen - und eben sich auch mal Schmorperlen festsetzen, ist normal und bei der Revision im Arbeitsumfang.
Diese Fahrschalter stammen konstruktiv aus der Zeit, als von Schleifring- auf Nockenschalter übergegangen wurde (und Schützen- o.a. Schaltungen noch hinter'm Horizont lagen).
Der Vorteil des Nockenschalters (gegenüber dem Schleifring) ist, dass er ungefährlicher war. Klar gab es auch Fahrschalterbrände, aber dann war es keine Fehlbedienung sondern echt etwas so wie es nicht sein sollte...*
Gegen die Abrissfunken gab es Funkenlöschkammern: Einschübe aus Asbest (später etwas anderes), die in den Fahrschalter eingeschoben wurden, um den Funken örtlich zu begrenzen, worauf er in der Kammer erlischt. Auch Blasspulen sind bekannt.
*Eine Zange im Fahrschalter zu vergessen, empfiehlt sich hingegen nicht!! Wenn sich diese unterwegs an die passende Stelle rüttelt, schließt sie schonmal den Bremsstromkreis völlig kurz, worauf der Zug mit nur der dafür nicht gedachten Handbremse auf eine auf Bogen stehende Weiche zurollte, die Weiche in einen relativ scharfen Bogen... Es ging dann (resultierende + Zentrifugalkraft, denn Straßenbahn ist immer Physik pur!) gegen ein Hotel...
So geschehen am Leipziger Friedrich-List-Platz landwärts etwa 1965/66, als der 22c 1544 auf der Linie 2 die Weiche nach Kohlgartenstraße vorfand, kurz darauf sich an der Pforte des Hotels "Meinhardt" und seinen Bw. in der Heckplattform. Das Ergebnis dieses Vorfalls ist der Fahrschulwagen 5005 mit der StNFB1- und der StNFB4-Plattform, später Hauptwerkstatt-Rangierwagen 5069, dann verschrottet, der aus dem beidseits völlig demolierten 1544 entstand, der erst geschätzte 2 Jahre zuvor GR bekommen hatte. Kleine Ursache, große Wirkung...

T4-62, wie die Großraumer werksseitig heißen, haben StNFB3Z, wo Z für Zentral steht. Dies ist wie auch der StNFB4 ein Unterflur-Fahrschalter. Während der 4 unter Plattform1 liegt und über Ketten angetrieben wird (das kennt Berlin aus dem TE, wo auch Bedienrad und Fahrschalter räumlich getrennt angeordnet waren), liegt der 3Z unter Wagenmitte und wird über Schützen "fernbedient". Die eigentlliche Fahrer-Handlung ist das Drücken einer Taste - das Schaltwerk rattert los. Nach der 1.Dauerfahrstufe ist ein "Übergang" (zur Parallelschaltung) zu drücken - worauf das Schaltwerk sein Werk zum 2.mal tut. Die Schaltvorgänge können jederzeit durch einen Kippschalter unter-/abgebrochen werden, worauf das Schaltwerk dort stehenbleibt, wo es gerade ist, der Wagen nicht mehr schneller wird. Die Beschleunigung selbst ist mit einem Drehschalter in 3 Wahlstufen vorwählbar. Dieses Prinzip stammt vom Dresdener Hecht. Da Dresden diese Wagen bekommen sollte (und auch hat), haben sie sich offenbar damit durchgesetzt und der Industrie, die gern etwas zeitgemäßes/bedienungsarmes/"halbautomatisches" haben wollte, eine Eigenkonstruktion erspart. Merke: Wagenkästen der DÜWAG abmalen oder fotografieren war nicht das Thema, aber ein Kiepe-Schaltwerk oder einen Tandem-Antrieb?? Da kam dann doch das Hecht-Schaltwerk und die Motorgruppenschaltung zum tragen.
Warum es mit den Großraumern Schaltwerkprobleme gegeben hat? Ich will ja nicht unken...
Als die Wagen noch in Dresden und Magdeburg fuhren, berichtet niemand davon. Auch als sie nur in Berlin, aber auf mehreren Bf. daheim waren, hörte man das nicht. Nun weiß man, dass das RAW HU- u. GR-Qualität ordentlicher Güte ablieferte. Man weiß auch, dass Köpenick kein schlampiger Bf. war. Wahrscheinlich korrespondieren mehrere Faktoren: a) das RAW arbeitete nicht mehr für die BVB/BVG; b) in Köp. hatten die wartungsintensiveren KT die TE verdrängt (weniger Zeit für die T4), c) zunehmender Ersatzteilmangel zwang zu Aufarbeitungen statt Ersatz von Bauteilen, d) indem der Wagentyp auf der "Abschussliste" stand, ließ die Intensität der Instandhaltung vielleicht doch etwas nach, e) sind vielleicht auch Bedienfehler anbei von Leuten, die mit diesen Wagen nicht "großgeworden" sind. Denn dass man sich 1995 von den Wagen trennte, soll hauptsächlich den immensen Schaltwerkschäden zu verdanken gewesen sein. Sogar in einem Kaddatz-Video wird einer von Strecke geschleppt, wo gar nix mehr ging. Immerhin war mittels Motorgruppenschalter bei schadhaftem Motor "halbe Kraft" möglich, aber wenn der Fahrschalter nicht mehr will... s.Satzanfang.
Wenn alle Betriebe nur T6/KT4(t)/KT8 verwenden würden, wäre die Welt eintöniger. Schöner wäre sie trotzdem!

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Kava je balzam za srce in duso. (slowen.: Kaffee ist Balsam für Herz und Seele) Giuseppe Verdi
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Kombifahrer
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Re: Die Tücken des Straßenbahnfahrens?

Beitrag von Kombifahrer »

Der Großraumwagen ist von der Bedienung mit dem "Kleinen Hecht" in Dresden zu vergleichen. Allerdings hat Letztgenannter ein 600 V Schaltwerk, das über einen Zugmagnet mit Kette angetrieben wird. Um den Abbrand beim Ausschalten des Fahrstroms zu verringern hat er wie der Großraumwagen einen Schnellschalter, der den Fahrstrom abschaltet. Dann wird mittels einer gespannten Feder der Fahrschalter wieder in die Nullstellung zurückgezogen. Beim Großraumer ist ein 24 V - Motor eingebaut, der die Fahrschaltwalze antreibt. Er übernimmt auch die Rückschaltung in die Nullstellung. Als man die Großraumwagen entwickelt hat, haben die Dresdner einen Fahrschalter entworfen und gebaut, der mit Hebel zu schalten war. Er wurde auf dem Falkenried - Arbeitswagen 3030 lange getestet. Allerdings wollten die Henningsdorfer ihn nicht haben, sondern selbst etwas entwickeln. Die Großraumschaltwerke haben auch in Dresden erhebliche Probleme gemacht. So war man nicht sehr verärgert, die Fahrzeuge an Berlin zu verlieren. Da die damaligen Spezialisten in Dresden wirklich Ahnung hatten, immerhin haben sie nach 1945 einen völlig neuen Fahrschalter für die "Kleinen Hechte" entwickelt und gebaut, wären sicher manche Probleme mit den Schaltwerken nicht entstanden. In Dresden sollten die Großraumwagen eigentlich die "Großen Hechtwagen" ersetzen. Bei der Lastprobefahrt (mit Sandsäcken) hat man an der steilsten Stelle des Netzes (Hirschberg) angehalten. Dann fuhr der Wagen nicht mehr an, weil das Schaltwerk nicht weitergeschaltet hat, die Motorkraft des 1. Fahrkontaktes reichte nicht. Damit es keine Störung gab, haben die Tester bei offenem Schaltwerk die Walze händisch weitergedreht. Deshalb konnte man einen Ersatz der "Großen Hechte" gleich vergessen. Ein weiteres Problem waren die Scheibenbremsen der Beiwagen. Noch heute sind scheibengebremste Beiwagen wegen Überhitzung und damit Verkokung der Bremsbeläge auch im Museumsverkehr dort nicht zugelassen.
Erst in Berlin wurden einige Änderungen vorgenommen. Der zusätzliche Umschalter zur Rangierstufe ist eine davon. Damit kann man das Schaltwerk auf jeder Fahrstufe anhalten, was vor allem beim Schleudern infolge schlüpfriger Schienen (Laubfall, gesalzene Straßen, Feuchtigkeit) die Anfahrt und Beschleunigung wesentlich erleichtert. Ob Großraumwagen oder einfache Gothas, Fahrer, die kein Gefühl hatten, konnten damit nicht umgehen und Schaden anrichten.
Gerade in Dresden hatten wir Probleme mit Motorschäden bei den ET, weil mancher Fahrer einen zu kurzen Bremsweg genommen hat und die ersten Bremskontakte nicht auswirken lassen konnte. Da die Bremssteuerung direkt war, gab es keinen Strombegrenzer, so dass die Motoren gelegentlich mit Überbremsung durchbrannten. Die Fahrmotoren der Großraumwagen waren ebenfalls dafür anfällig. Ich habe Anfang der 90 er Jahre in Berlin 2 Sonderfahrten mitgemacht, bei Beiden hat der Fahrer eine Motorgruppe abgeschaltet, weil jeweils ein Fahrmotor schadhaft wurde.
Der Dresdner Großraumwagen 1734 ist derzeit auf dem Hebestand, die Drehgestelle sind in einer Fachwerkstatt zur Überprüfung und Neubereifung, vielleicht fährt er nächstes Jahr wieder.

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Möckern-Peter
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Re: Die Tücken des Straßenbahnfahrens?

Beitrag von Möckern-Peter »

Richtig, der T4 hatte ein 24V-Schaltwerk: zeitgemäßer und sicherer - man wollte vom unmittelbaren Kontaktrisiko Fahrer <-> 600V weg. Es wird also mit Relais wie in Neubaublocks (nichts anderes sind Schützen im Prinzip auch) geschaltet, d.h. mit einem 24V-Stromkreis ein 600V-Stromkreis bedient: Schalten der Hoch- mit einer Niedrigspannung.
Die Nichtzulassung mancher Steilstrecken für ausgewählte Wagentypen hat in der Tat meist weniger mit der Steigfahrt als mit dem Bremsvorgang im Gefälle zu tun. Soviel ich weiß, trifft das ausgeführte auch auf Zschertnitz zu, womit erklärt wäre, die beiden kritischen Endstellen in einer Linie (11) "zusammenzuheften", auf der man dann auf Bw.-Betrieb verzichtet (auch Tatra!)
Auch die Prager Strecke Barrandov ist nur für chopper-T3, T6 und Skoda zugelassen. "klick-klack"s, T3 mit TV-Steuerung (8000er) und KT8 sind verboten. (Es mag sein, dass die umgebauten KT8 mit IGBT-Steuerung jetzt hindürfen.)

Eine weitere Nachrüstung der T4 beim RAW war die Installation einer Solenoid-Kernbremse. Da gegen Ende der "elektrodynamischen Widerstandsbremsung" - also einfacher der Motor- oder E-Bremse - "verbremsbarer" Strom kaum noch induziert wird, braucht es - bei jedem Gotha und ähnlichen Konstrukten - die Handbremse. Nun musste man die beim T4 nach dem Anfahren völlig öffnen, da keine Ratsche. Heißt: andere Betriebe ließen immer "etwas Zug" auf der Handbremse, damit sie so gut wie gleich "fasst"; Berliner Fahrer durften immer von vorn ziehen, ziehen, ziehen. Der unangenehme Bedieneffekt ist das eine, das ewige Ausrollen das sicherheitsproblematischere, da dann ein wogegenrollen nur noch mit der Schienenbremse vermeidbar gewesen wäre. Diese Nachrüstung griff also bei Ende der Bremsstrominduzierung helfend ein und unterstützte die Handbremswirkung. Der Kern fiel sicher wieder in der Spule ab bei Stillstand des Wagen, womit die Handbremse unterdessen angezogen worden sein müsste. Zum Einbau einer im ET/G4 üblichen Ratsche entschloss sich das RAW allerdings NICHT!
Eine "Pferdebahnbremse" wie im TE/TZ (einmal anziehen = muss der Wagen stehen, weil: man kann nicht "nachholen") war hingegen nicht möglich, da diese direkt auf die Ankerwelle des Motors1 wirkt - bei einem 4-Motorer schwer machbar; zudem greifen Gotha-Handbremsen auf Scheiben auf der Achse und nicht auf die Anker.
Also installierte man eine Zusatzbremse, die dann durchaus wirkungsvoll war.

Richtig, Bremsstromkreise dürfen ja nicht abgesichert sein. Manchmal zeigt der Wagen im Bremsen eine Unregelmäßigkeit = einen soeben entstandenen Motorschaden; ansonsten macht er sich beim nächsten Anfahren "bemerkbar"... Besonders prekär war, ET einzeln fahren zu lassen, da dann die 2 Motoren den Gesamtbremsstrom, der für den 3er-Zug asusgelegt war, allein aufbrauchen mussten... > s.o.! (Da war oft schon der 1.Bremskontakt zu stark.) Wir haben z.B. an Nachtwagen, die als ET-Einzelfahrer angewiesen waren, ohne zu fragen, einen Bw. angehangen, damit wenigstens 2 Solenoide mehr sich am Induktionsstrom bedienen. Ein gut besetzter 2er oder ein mäßig besetzter 3er war ideal; ein rammelvoller 3er natürlich auch ungut für die Elektrik...
Nun gab es ja Städte, die mit ET generell als Einzelfahrer unterwegs waren. Da waren aber oft Geländetopografie, Haltestellenabstände, Bögen/Trassierungen usw. dagegen, die Wagen mal richtig auszufahren. In Leipzig hingegen konnte man das logisch, v.a. nachts. Dafür erzeugte der Einzelfahrer dann eben quasi zuviel Bremsstrom, wenn keine Bw. als Bedarf mitfuhren; schließlich ist der Einzelfahrer ja wiederum schneller als der 3er. (Umschalter, mit denen die Elektrik auf 1-, 2- oder 3-Wagen-Betrieb variabel abgestimmt werden konnte, gab es nicht.)

Frage an's geneigte Fach- und Interessentenvolk:
Wie funktionierte die Haltebremse der T4-"Ideenspender" von DÜWAG?
Federspeicher sind bei den 6- und 8-achsern gewiss später Baustandard oder Nachrüstung gewesen. Wie aber hielt man die frühen DÜWAGs - und der 4-achser war ja der Altvater* - beim Ausrollen fest? Weiß das jmd.? Danke.
(*ja, es gab paar Hände voll 2-achser, aber wohl nur Bw.)
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Kombifahrer
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Re: Die Tücken des Straßenbahnfahrens?

Beitrag von Kombifahrer »

Großraumtriebwagen Solo ist in Dresden auf allen Strecken zugelassen, mit Beiwagen darf er nicht nach Bühlau und Zschertnitz fahren. Den Bremssolenoiden haben wir noch betriebsfähig eingebaut. Er muss allerdings mit einem Taster eingeschaltet werden, da er für den Dauergebrauch nicht genutzt werden kann. Er sieht übrigens wie ein Gotha- Beiwagenbremsmagnet aus, hat aber eine andere Spule. Aufgrund der Topographie des Dresdner Netzes hat der Wagen wieder eine Bremspedalverriegelung. Es gibt Weichen und Signale, die in Steigungen oder Gefällen liegen, wo der Fahrer aussteigen muss, wenn die Technik nicht funktioniert. Wenn dann das Bremspedal gelöst wäre, würde beim Aufspringen der Handbremse der Wagen ohne Bremswirkung abrollen. Mit eingelegtem Bremspedal rollt er nur mit 2-3 km/h weg, was zumindest weniger schlimm wäre. Aufgrund der Drehgestellbauweise des Wagens hat die Handbremse immer einen längeren Weg, schon damit sie sich auch bei Kurvenfahrt nicht anzieht.
Der Handbremshebel wirkt schon auf eine Ratsche, allerdings ist kein Fußlösepedal angebracht, so dass sie nur mit dem Handdruckknopf völlig gelöst werden kann.

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