Einholm oder Schere

Diskussionen zur Technik der Straßenbahn
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Trolley691
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Einholm oder Schere

Beitrag von Trolley691 »

Hallo,

beim studieren der Fachliteratur sieht man ja immer wieder unterschiedliche Varianten der Stromabnehmer. Potsdam verwendet ja bei den "aktiven" Fahrzeugen generell nur Einholmstromabnehmer. Auf dem Duisburger Vario, sowie auf den meisten Erfurter Kt4D sind Scherenstromabnehmer.

Liegt es an den Netzanforderungen, ob Einholn- oder Scherenstromabnehmer zum Einsatz kommen?
Warum steht bei den "Rostockern" die Einholmstromabhnehmer gegen die Fahrtrichtung, während bei den meisten anderen er in Fahrtrichtung steht? Hat das auch einen technischen Grund?

Manitou
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Re: Einholm oder Schere

Beitrag von Manitou »

Scheint in erster Linie eine Desing- oder Glaubensfrage zu sein. Bei den Berliner ZGTN6 wird gelegentlich auch mit dem hinteren Stromabnehmer gefahren. E-Loks fahren meist mit dem hinteren Stromabnehmer, wobei die meisten BR das "Knie" des Einholm-Stromabnehmers Richtung Fahrzeugende richten (wenige BR umgekehrt). Auch die Anordnung von 4 Einholm-Stromabnehmer in Form von 2 Paaren bei Mehrsystem-Loks bzw. die Nahanordnung bei den ICE1-Schweiz-TK's beweisen, das es keine technischen Gründe für eine generelle Anordnung gibt (außer, daß das Schleifstück möglichst nahe am Drehzapfen ist).

bim
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Re: Einholm oder Schere

Beitrag von bim »

Die Frage Einholm, Halbschere oder Vollschere ist heutzutage eher eine Geschmacksfrage, wobei Traditionen, vorhandenes Material, Lieferatenverträge mehr oder weniger starke Einflüsse haben.
Betriebssicher sind alle Konstruktionen, die heute mit entsprechenden Zertifikaten von namhaften Herstellern produziert werden. Die Montage- und Betriebsrichtung der Einholmer ist egal. Marktführer Stemmann http://www.stemmann.de/de/bahn/dachstro ... ehr/serien liefert jede gewünschte Ausführung.
So long

Mario

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Sithis
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Re: Einholm oder Schere

Beitrag von Sithis »

Und warum gibt es dann kaum noch Schere?

Nebenbei, warum haben die Berliner GT-Z denn überhaupt zwei Stromabnehmer? Einer in der Mitte würde es auch tun, wie in anderen Städten.
Zynismus ist der geglückte Versuch, die Welt zu sehen, wie sie wirklich ist. - Jean Genet

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Incentro
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Re: Einholm oder Schere

Beitrag von Incentro »

Sithis hat geschrieben:Und warum gibt es dann kaum noch Schere?

Nebenbei, warum haben die Berliner GT-Z denn überhaupt zwei Stromabnehmer? Einer in der Mitte würde es auch tun, wie in anderen Städten.
Ich meine im Zusammenhang mit Erfurt mal etwas davon gelesen zu haben, dass die verschiedenen Bauarten einen unterschiedlichen Anpressdruck an die Oberleitung haben und es daher in Traktionen von Vorteil wäre, einen einheitlichen Stromabnehmertyp zu verwenden. Es gibt jedoch genug Betriebe denen das offenbar egal ist: z.B. in Frankfurt am Main werden die U-Bahnen auch gemischt mit Schere und Einholm gefahren.

Warum die Berliner GT6N-ZR als einzige Vertreter dieser Bauart zwei Stromabnehmer haben weiß ich nicht (gibt es noch Signalanforderung via Oberleitungskontakt, wo sowas relevant wäre?). In Mainz und Jena kommt man auch mit einem aus (allerdings nicht in Wagenmitte sondern wie beim Einrichter an einem Ende).

bim
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Re: Einholm oder Schere

Beitrag von bim »

Sithis hat geschrieben:Und warum gibt es dann kaum noch Schere?
Die klassischen Scherenstromabnehmer waren eher ausgereift, sehr stabil, langlebig und leicht instand zu halten.
Inzwischen hat der Einholmer einen Entwicklungsstand erreicht, dass er dem Klassiker in allen Belangen ebenbürtig und besonders beim Gewicht und damit der Elastizität überlegen ist. Teuer sind alle Modelle.
Nebenbei, warum haben die Berliner GT-Z denn überhaupt zwei Stromabnehmer?
Bei Einführung der GT6 im Fahrbetrieb der BVG gab es noch Weichenstellkontakte am Fahrdraht und vielfältige Signalkontakte, Verriegelungskontakte, Anforderungskontakte u.s.w., für deren korrekte Funktion eine ähnliche Stromabnehmerposition wie beim Reko/Großraumer/Tatra vorteilhaft war. Außerdem sind die Einbauorte von Streckentrennern, die möglichst stromlos zu befahren sind, auf die traditionelle Position optimiert. Die Gewöhnung der Fahrpersonale spielt dabei auch eine Rolle.
Erstmals bei GT6Z-Doppeltraktionen wurde das uralte BVG-Prinzip des Fahrens mit einem Bügel durchbrochen, für diese Zugkombinationen sind jedoch in der Dienstordnung etliche Einsatzbeschränkungen angeordnet, die nur langsam weniger werden. Es gibt noch eine Reihe von Strecken, die von Zügen mit abweichender Stromabnehmerposition nicht oder nur unter besonderer Begleitung befahren werden dürfen. Vor allem sind das eingleisige Strecken, auch die eingleisig mit Bauweichen und transportablen Signalanlagen versehenen Abschnitte, wie derzeit in der Straße Am Tierpark.

Die erst 1995 errichtete Signalanlage an der Gleisverschlingung Bösebrücke (Bornholmer Straße) wird jetzt erneuert, damit hier künftig auch Flexity und GT6Z ohne Einschränkungen zum Einsatz kommen können.
So long

Mario

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M73
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Re: Einholm oder Schere

Beitrag von M73 »

Bei den Münchner M-Wagen wurden bei der Serie 1 und 2 die Stromabnehmer noch triebwagenmittig montiert, vermutlich weil man es bei den alten Wagen zuvor auch gemacht hatte. Warum bei den Altbauwagen der Mittige Stromabnehmer noch kein Problem machte, liegt vermutlich an den relativ kurzen Fahrzeuglängen. Auch wenn der M-Wagen über Jahre hinweg das "kleine Fahrzeug" darstellte, war er bei der Inbetriebsetzung ein Großraumstraßenbahnwagen.

Da aber schon damals Versuche mit elektrisch gesteuerten Weichen liefen, wurde bald klar, daß ein mittiger Stromabnehmer (Anfangs ausschließlich Schere) in Zukunft Probleme bereiten könnte und so wanderte der Stromabnehmer an die Fahrzeugspitze.

Auch Anforderungen an Signalanlagen und Frühmelder für innerbetriebliche Zwecke wurden damals in München über Oberleitungskontakten realisiert
Auch für diese Kontakte war ein Stromabnehmer in Fahrtrichtung vorne vorteilhafter.

Nebenbei: Die dann in großer Zahl eingesetzten Oberleitungskontakte für Weichen mit dem Prinzip LOS (Links ohne Strom) waren auch der Grund, warum die ersten Versuche mit M/M/m fehlschlugen.
Der zweite Triebwagen hätte die Weiche womöglich unter dem Fahrenden Zug verstellt. Und die damaligen Energiekabel zwischen den zwei Triebwagen waren zudem sehr Störungsanfällig. So kamen die die Dreiwagenzüge erst zum Einsatz, als die Weichensteuerung auf Frequenzen umgestellt wurde, da dann der Zweite Stromabnehmer keinen unbeabsichtigten Stellvorgang der Weiche auslösen konnte.

Diese Münchner Erkenntnisse auf GT6 der BVG übertragen, bestätigen die Ausführungen von bim meines Erachtens.

Fertigt heute eigentlich noch einer Schere oder werden die bei Schrottwagen freiwerdenden Scheren wieder verbaut?
Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch .
(Karl Valentin, Münchner Volksschauspieler und Humorist)

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Tatra-Fan
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Re: Einholm oder Schere

Beitrag von Tatra-Fan »

Stemmann müsste noch geringfügig welche bauen bzw. im Auftrag. Leipzig repariert selber (beim Obergestell reichen einfache Stahlstangen, untenrum wirds schwerer...)
T4D-Fahrerkabinen Besitzer, danke an die fleißigen Spender! :mrgreen:

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