Straßenbahn Ybbs

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WienerLinien
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Straßenbahn Ybbs

Beitrag von WienerLinien »

Straßenbahn Ybbs (1907 - 1953)

Ybbs liegt auf halbem Weg zwischen Wien und Linz und war daher für die Donauschifffahrt und für den Pferdewechsel bei Kutschen bedeutend. Das änderte sich aber als 1858 die Westbahn von Wien nach Linz eröffnet wurde. Aufgrund der Streckenverhältnisse wurde der Bahnhof Ybbs rund drei Kilometer weit weg von der Stadt Ybbs bei der zuvor unbekannten Ortschaft Kemmelbach errichtet. Der Bahnhof hieß ursprünglich Kemmelbach-Ybbs (seit ca. 1910 Ybbs-Kemmelbach), heute heißt er Ybbs an der Donau.

Wie viele andere Kleinstädte, die etwas entfernt vom Bahnhof waren, beschloss auch Ybbs, sich eine elektrische Kleinbahn als Zubringer zum Bahnhof anzulegen. Nachdem am 30.6.1906 die Trasse politisch begangen wurde, wurde am 21.5.1907 die Konzession zum Bau erteilt.

Umgehend begann die Firma Corazzo mit dem Bau der Strecke; die elektrische Ausrüstung stammte von den Österreichischen Siemens-Schuckert-Werken.
Bereits am 11.11.1907 nahmen die beiden Triebwagen den Betrieb auf der 2,943 km langen Strecke auf, die mit Rücksicht auf die engen Gassen im Ybbser Stadtbereich nur 760mm Spurweite hatte.

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Die Strecke führte eingleisig (ohne Ausweichen!) vom Bahnhof der Westbahn über eine bestehende Straßenbrücke, folgte dieser Straße ín Seitenlage rechts und führte dann durch Obstgärten nach Ybbs, wo sie am Hauptplatz ein Stumpfgleis hatte. An der damaligen Gemeidegrenze der Stadt Ybbs befand sich der hölzerne Schuppen, der die Wagenremise darstellte.

Die Strecke war mit Ausnahme der Brückenrampen eben und geradlinig, die Brücken hatten Steigungen bis 53 Promille. Es wurden Rillenschienen und Vignolschienen verwendet.

Der Fahrpark umfasste zwei Triebwagen und einen Turmwagen. Die beiden Triebwagen (1 und 2) wurden im Jahr 1907 bei der Grazer Waggonfabrik gebaut und hatten bloß einen Motor; 1909 wurden dann zwei Motoren eingebaut. Die Wagen erreichten eine Höchstgeschwindigkeit von 35 km/h, sie hatten Schleifring-Fahrschalter der Type K sowie Kurzschlussbremse und eine Handkurbelbremse.
Die Plattformen der Triebwagen waren ursprünglich offen und wurden 1913 verglast, wobei, wie auch in St.Pölten, der vom Fahrer gesehen rechte Einstieg mit einer Wand verschlossen wurde. 1938 erhielten die Wagen auf einer Seite Fahrtrichtungsanzeiger.

Der Fahrplan der Straßenbahn war auf die Westbahnzüge abgestimmt. Von 1913 bis zur Betriebseinstellung beförderte die Straßenbahn auch Post zwischen Ybbs und Bahnstation.

Jährlich erbrachten die beiden kleinen Triebwagen eine durchschnittliche Leistung von 40.000 km. Sie waren ursprünglich mit Fahrer und Schaffner besetzt, seit den 30er Jahren verkehrten die Wagen im Einmannbetrieb.

Obwohl die Bahn immerhin fast ein halbes Jahrhundert lang im Betrieb stand, ereigneten sich keine schweren Unfälle. 1941 entgleiste ein Triebwagen, 1946/47 fuhr einmal ein Triebwagen auf den anderen auf.

Die fast alljährlichen Hochwasser der Donau setzten weite Teile der Strecke und die Remise unter Wasser und behinderten dadurch den Straßenbahnbetrieb erheblich. In diesem Fall waren die Triebwagen beim Bahnhof Ybbs-Kemmelbach abgestellt, es gab Schienenersatzverkehr.

Der 1953 begonnene Bau des Donaukraftwerkes Ybbs-Persenbeug erforderte einen Ausbau der Zufahrtsstraßen, und damit die Anbindung von Kemmelbach an die Bundesstraße B1.
Diese Anbindung, wie auch die immer wiederkehrenden Hochwasser, bewogen die Stadtgemeide Ybbs, ihre Straßenbahn einzustellen. Am 22.9.1953 verkehrten die beiden Triebwagen ein letztes Mal zwischen Ybbs und Bahnhof, am Tag darauf löste eine Autobuslinie die Straßenbahn ab. Anfangs befuhr der Bus genau dieselbe Route wie die Straßenbahn, mittlerweile wurde er über die Staumauer des Donaukraftwerkes weiter nach Persenbeug verlängert.

Die Gleisanlagen wurden schon bald abgebaut, die Triebwagen kaufte die Lokalbahn Mixnitz - St.Erhard, der Turmwagen wurde (in Ybbs) verschrottet.
Damit hatte eine Straßenbahn zu existieren aufgehört, die mit minimalen Platzbedarf und bescheidenen Mitteln nahezu ein halbes Jahrhundert lang ohne wesentliche Investitionen einen beachtlichen Verkehr abgewickelt hat.

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Triebwagen 2 im Letztzustand

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Wagen 2 in der Wienerstraße in Ybbs

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Fahrt durch Obstgärten

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1 (links) und 2 (rechts) vor der Remise

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1 und 2 vor der Remise
Gemeinde Wien - städtische Straßenbahnen

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Möckern-Peter
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Re: Straßenbahn Ybbs

Beitrag von Möckern-Peter »

Die Plattformschließung RECHTS war ursächlich durch den damaligen Linksverkehr. Wie gestaltete sich dies nach der Umstellung auf Rechtsverkehr? (ohne solche Umbauten bei einem normalen ZR-Wagen ja kein Problem)
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Re: Straßenbahn Ybbs

Beitrag von AMA »

Möckern-Peter hat geschrieben:Die Plattformschließung RECHTS war ursächlich durch den damaligen Linksverkehr. Wie gestaltete sich dies nach der Umstellung auf Rechtsverkehr? (ohne solche Umbauten bei einem normalen ZR-Wagen ja kein Problem)
Es wurde nur einer der beiden Einstiege pro Seite verschlossen, nach der Umstellung musste einfach durch den anderen ein- bzw. ausgestiegen werden.

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Möckern-Peter
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Re: Straßenbahn Ybbs

Beitrag von Möckern-Peter »

Logisch bemerkt, dass das geht... :lol:
Aber da Einmannbetrieb, marschierte wohl dann Herr Fahrgast von hinten nach vorn und später wieder hinter? Oder ließ Herr Fahrer derweil solange die Karre stehen, um die Kassiererspiele auf der Heckplattform zu treiben?
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Re: Straßenbahn Ybbs

Beitrag von AMA »

Möckern-Peter hat geschrieben: Aber da Einmannbetrieb, marschierte wohl dann Herr Fahrgast von hinten nach vorn und später wieder hinter?
In der Theorie, ja. In der Praxis kannten die Fahrer die Stammfahrgäste mit Zeitkarten.

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Möckern-Peter
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Re: Straßenbahn Ybbs

Beitrag von Möckern-Peter »

Wenn ich als Touri dort aufkreuze, bin ich kein Stammi mit Zeitkarte... :evil: :lol:
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Re: Straßenbahn Ybbs

Beitrag von AMA »

Möckern-Peter hat geschrieben:Wenn ich als Touri dort aufkreuze, bin ich kein Stammi mit Zeitkarte... :evil: :lol:
Die waren selten genug, um den Betrieb durch Vorgehen und wieder zurückgehen nicht zu sehr behindern.

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