Videoüberwachung abgeschaltet - darf das sein?

Straßenbahnbetriebe in Deutschland
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Sithis
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Videoüberwachung abgeschaltet - darf das sein?

Beitrag von Sithis »

Eigentlich bin ich nur über "Umwege" zu diesem Thema gekommen, aber etwas nachdenklich hat es mich dann doch gestimmt. Heute wurde in einem meiner Seminare u.A. auch das Pro und Kontra von Videoüberwachung in der Öffentlichkeit angeschnitten, als Teil einer Diskussion. Dabei erzählte jemand, daß eine Bekannte in einer Straßenbahn der KVG(Kassel) überfallen und ausgeraubt wurde. Natürlich ärgerlich, aber immerhin dachte sie, bei der Videoüberwachung der Kasseler Trams(mit Ausnahme der N-Wagen, aber die trifft man im Spätverkehr in der Regel nicht mehr an) könne man die Täter leicht ermitteln. Von wegen! Bei einer Anfrage an die KVG ergab sich, daß die Videoüberwachung ausgeschaltet war, da dies die letzte Tram des Tages gewesen wäre. Ergo also nichts mit Täterermittlung, was auch wieder durchaus berechtigte Fragen aufwarf, inwieweit Videoüberwachung abschreckt.
Ist es denn tatsächlich so, daß die Videoüberwachung - wenn schon vorhanden - einfach abgeschaltet werden kann, wenn sie nach Ansicht des Verkehrsbetriebes nicht mehr benötigt wird?

Auch habe ich zudem oft den Eindruck, daß in manchen Betrieben die Videoüberwachung wirklich nichts bringt, aus welchen Gründen auch immer. Ist die Überwachung da nur gelegentlich aktiv, wird wegen Sachbeschädigung(also Vandalismus) keine Anzeige erstattet oder sind die Kameras gar nur Attrappen?
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M73
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Re: Videoüberwachung abgeschaltet - darf das sein?

Beitrag von M73 »

Grundsätzlich:
In der Münchner U-Bahn (Bahnsteige und Sperrgeschosse) gibt es seit ende der 70ger Videoüberwachung im größerem Umfang. Diese ist so offensichtlich, daß eigentlich jeder es wissen müßte. Auch sind seitdem einige Fälle bekannt, wo durch die Überwachung Täter Dingfest gemacht wurden. Aber letztendlich gibt es immer Unbelehrbare. :|
Bei einer Anfrage an die KVG ergab sich, daß die Videoüberwachung ausgeschaltet war, da dies die letzte Tram des Tages gewesen wäre.
Die Aussage ist schon hart! :shock:
Ist es denn tatsächlich so, daß die Videoüberwachung - wenn schon vorhanden - einfach abgeschaltet werden kann
Wenn man den Satz so stehen läßt, könnte man sagen: Ja, einfach den Stecker ziehen. :lol:
Spaß bei Seite:
Einheitliche Richtlinien zur Videoüberwachung gibt es im Bezug der Aufzeichnungspflicht nicht.
Geregelt ist nur, ob überhaupt Aufgezeichnet werden darf und ob das Bildmaterial überhaupt bei einer Strafverfolgung verwendet werden kann.
Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch .
(Karl Valentin, Münchner Volksschauspieler und Humorist)

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timi-tomi
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Re: Videoüberwachung abgeschaltet - darf das sein?

Beitrag von timi-tomi »

In Magdeburg wird das Bildmaterial nach 24 Stunden gelöscht. In der Zeitung werden auch immer mal wieder Fotos/Aufnahmen gezeigt, wenn ein Täter gesucht wird.

Wo sie mal durchziehen sollten, ist der Vandalismus. Anfangs haben die Kameras ja sehr abgeschreckt und Scratching und co. war in den Bahnen mit Kamera nicht mehr vorhanden - mittlerweile passiert es aber doch, dass die Bahnen mit Kamera beschädigt werden.

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Sithis
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Re: Videoüberwachung abgeschaltet - darf das sein?

Beitrag von Sithis »

Einheitliche Richtlinien zur Videoüberwachung gibt es im Bezug der Aufzeichnungspflicht nicht.
Geregelt ist nur, ob überhaupt Aufgezeichnet werden darf und ob das Bildmaterial überhaupt bei einer Strafverfolgung verwendet werden kann.
Wenn das nicht erlaubt ist, macht es aber relativ wenig Sinn :o .
In Magdeburg wird das Bildmaterial nach 24 Stunden gelöscht.
Außer wenn wegen dem Bildmaterial zur Strafverfolgung angefragt wird, oder?
Anfangs haben die Kameras ja sehr abgeschreckt und Scratching und co. war in den Bahnen mit Kamera nicht mehr vorhanden - mittlerweile passiert es aber doch, dass die Bahnen mit Kamera beschädigt werden.
Ist mir bei meinem letzten Besuch leider auch aufgefallen. Entweder wurden in manchen Bahnen die Kameras erst nach der Beschädigung installiert oder man hat kein Interesse an einer Verfolgung der Täter.
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timi-tomi
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Re: Videoüberwachung abgeschaltet - darf das sein?

Beitrag von timi-tomi »

Genau, wenn eine Straftat vorliegt, wird es nicht gelöscht.

Da Vandalismusschäden ja nicht sofort auffallen (wenns nicht gerade eine eingeworfene Scheibe ist), denke ich mal, dass wenn der Schaden auffällt, die 24-Stunden-Frist schon abgelaufen ist. Aber ich denke der Aufwand, Täter zu stellen wegen Scratching und co. wäre auch so groß.

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M73
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Re: Videoüberwachung abgeschaltet - darf das sein?

Beitrag von M73 »

Rechtlich sieht es so aus, daß für Videoüberwachungen im öffentlichen Raum der Grund genannt werden muß. Gründe können z.B. sein: Verkehrslenkung / Stauumfahrungen, Standspurfreigaben, Tunnelsicherheit, Überwachung Öffentlicher Platz, Personenkontrolle, Gebäudesicherung, Eigentumssicherungen (Supermarkt) und und und…..

Je nach Grund ist geregelt, ob die Kameras nur auf einem Bildschirm wiedergegeben werden dürfen oder auch Mitschnitte erstellt werden dürfen.
Vom Grund ist auch abhängig, ob das Videomaterial gegen jemanden in einem Prozeß verwendet werden kann.
Unter bestimmten Umständen (meist wenn mehrerer Personen schwer verletz oder getötet worden sind), kann ein Richter Videomaterial, welches eigentlich nicht für einen Prozeß zugelassen ist, nachträglich "aufwerten".

Ein Beispiel:
In einem Autobahntunnel ist ein Ereignis, welches eine Tunnelsperre nötig macht. Vor dem Tunnel bildet sich ein Stau. Einige Verkehrsteilnehmer drehen auf der Autobahn um und fahren an der vorherigen Ausfahrt aus. Dieses wird mit der Kameraanlage des Tunnels aufgezeichnet und die Nummernschilder sind zu sehen.

Da die Kameras in vielen Tunnels nicht zur Überwachung der Verkehrsteilnehmer eingerichtet worden sind, sondern zur höheren Tunnelsicherheit, kann das aufgezeichnete Bildmaterial nicht ohne weiteres zur Verfolgung der Fahrzeuglenker verwendet werden.

Wenn es durch solch einen Geisterfahrer aber zu einem Unfall mit schwerverletzten oder gar Toten kommt, kann ein Richter dieses nachträglich (das heißt, nach der Aufzeichnung) für eine Strafverfolgung zulassen.

In den meisten Tunnels sind die Videoanlagen nur zur Herstellung der Tunnelsicherheit eingebaut. Es gibt aber auch Tunnels, wo die Kameraausrüstung im Vorfeld auch zur Verfolgung von Verkehrssünden "gewidmet " ist.

Ähnliches gibt es auch für Aufzeichnungen von Kameras zur Überwachung des öffentlichen Raumes. Hier kann es durchaus sein, daß ein einfacher Taschendieb trotz Filmaufnahme davon kommt, aber ein Messerstecher des wegen verurteilt wird.

Frage mich nicht, warum die Gesetze in Deutschland so dämlich sind.

Generell gibt es keinen Zwang, bei einer vorhandenen Videoaufzeichnungseinrichtung, diese auch zu verwenden.
Es gibt jedoch indirekte Ausnahmen: Z.B. schreiben die Richtlinien für Straßentunnel vor, daß ab einem gewissen Ausmaß des Tunnels und Baujahr die Bildinformationen einer Videoanlage eine bestimmte Zeit lang verfügbar sein müssen. Deswegen dürfen die Videodaten aber noch lange nicht gegen jemanden verwendet werden.
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Sithis
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Re: Videoüberwachung abgeschaltet - darf das sein?

Beitrag von Sithis »

Frage mich nicht, warum die Gesetze in Deutschland so dämlich sind.
Vermutlich wegen solch "nützlichen Idioten" wie selbsternannten Datenschützern, die schon reflexartig auf neue Sicherheitsbestimmungen anbeißen und sicher auch für die eine oder andere Begrenzung dieser Verwertbarkeit verantwortlich sind. Wie verbissen diese Leute ihre Argumente vorbringen, sieht man ja auch aktuell wieder bei dem Affentheater um die sogenannten "Nacktscanner". Als ob sich da nun der Zollbeamte einen drauf runterholt, wenn er ein lila waberndes Etwas vor sich hat, was der Körper einer Frau sein soll. Ehrlich gesagt lasse ich mich lieber so scannen als daß irgendein Bulle mich abtastet und ich selbst solche harmlosen Sachen wie Lutschbonbons oder Schlüssel aus der Tasche nehmen muß.
Das nur mal als kurzer Abschweif. Was Videoüberwachung angeht, wird sich bestimmt keiner die Mühe machen, den Weg von irgendeiner unverdächtigen Person zu rekonstruieren, die sich im öffentlichen Raum bewegt, nur weil da eben Kameras vorhanden sind.
Kameras sind kein Allheilmittel, schrecken aber doch eine gewisse Zahl von potenziellen Verbrechern ab - eigentlich schon der wichtigste Effekt. Und selbst wenn eine Kamera "zweckentfremdet" wird, um vollkommen gerechtfertigt eine Strafverfolgung anzukurbeln - was spricht dagegen? Wenn mich jemand beklaut, möchte ich schon, daß der erwischt wird, auch wenn dabei seine ach so heiligen Persönlichkeitsrechte angetastet werden - was ist denn mit meinen?
Aber bei der Kuscheljustiz heutzutage bekommt jeder Drecksack zu viele Rechte zugestanden :evil: .
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Großverbundplatte
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Re: Videoüberwachung abgeschaltet - darf das sein?

Beitrag von Großverbundplatte »

Wie sieht das eigentlich aus wenn die Videoanlage mal wegen eines Defekt nicht einsatzfähig ist, geht dann ein Wagen in den Status : Nicht einsetzbar. ?
Welcher Betrieb könnte es sich leisten auf Wagen zu verzichten wenn dieser Fall eingetreten ist?

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M73
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Re: Videoüberwachung abgeschaltet - darf das sein?

Beitrag von M73 »

...wenn die Videoanlage mal wegen eines Defekt...Status : Nicht einsetzbar. ?...
Das hört sich so an, daß man nicht Kochen kann, weil man kein Salz mehr im Haus hat. :wink:

Ich denke, ein Defekt ist wieder etwas anderes. Die Frage von Sithis zielt darauf, wenn ein Betrieb aus welchen Gründen auch immer, gezielt ein vorhandenes Videoaufzeichnungssystem Zeitweise abschaltet.

Ich muß auch mal sagen, daß die Antwort des Verkehrsunternehmens schon fast rufschädigend ist; ich hätte lieber gesagt, daß das fragliche System kaputt war, bevor ich rausgebe, das es wegen eines solch schwammigen Grund gezielt abgeschalten wurde.:roll:
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