[GR] Überall ist die Tram kommunal–außer in Görlitz (Art.)

Straßenbahnbetriebe in Deutschland
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Daniel Kramer
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[GR] Überall ist die Tram kommunal–außer in Görlitz (Art.)

Beitrag von Daniel Kramer »

Quelle:
Montag, 18. Juni 2012
(Sächsische Zeitung)

Überall ist die Tram kommunal – außer in Görlitz
Von Ralph Schermann
Noch ist das kein Problem. Doch der Finanzierungsvertrag endet in fünf Jahren. Was wird dann?


Bis 2017 bestimmt die Verkehrsgesellschaft Görlitz (VGG) mit Bahnen und Bussen das Bild des Görlitzer Nahverkehrs. Wie es weitergeht, ist noch unklar. Foto: SZ-Archiv/Suhrbier

Der Nahverkehr im Norden des Kreises wird ab 2013 nicht mehr von der Niederschlesischen Verkehrsgesellschaft (NVG) angeboten, sondern vom Unternehmen Regionalbus Oberlausitz (RBO). Damit eroberte eine Bautzener Firma Görlitzer Gebiet – in einer europaweit festgelegten Ausschreibung.

Seit die Entscheidung fiel, hört Frank Müller oft bange Fragen, wie das denn nun mit der Görlitzer Straßenbahn weitergehen soll. „Da wird leider viel durcheinandergebracht“, sagt der Geschäftsführer der Verkehrsgesellschaft Görlitz (VGG). Denn „der Verkehrsanbieterwechsel hat hier überhaupt keine Auswirkungen. NVG und VGG sind völlig verschiedene Betriebe.“

Egal, wie der Überland-Busverkehr nach Niesky oder Weißwasser aussehen wird – in der Stadt Görlitz bleibt zumindest bis Ende 2017 alles, wie es ist. Bis dahin sichert ein Vertrag die jährliche Zahlung von 2,1 Millionen Euro aus dem Stadtsäckel an die Stadtwerke. Diese wiederum reichen das Geld an die VGG im Zuge des Verlustausgleichs weiter. Die Stadt ihrerseits holt sich Zuschüsse vom Landkreis, wenn auch mit 850000 Euro bei weitem nicht in der erwünschten Höhe.

Fuhrpark braucht Erneuerung

Über die finanzielle Gestaltung des innerstädtischen Nahverkehrs nach dem Jahr 2017 wird in den nächsten Jahren zu verhandeln sein. Wer dann auf Schienen und Straßen die Fahrzeuge steuert, kann freilich auch hier zu einer Überraschung werden. Denn auch Görlitzer Stadtbusse und Straßenbahnen werden ab 2018 europaweit ausgeschrieben werden müssen. Zwar wäre ein Verbleib bei denen logischer, die sich schon seit Jahrzehnten mit der Straßenbahnbetriebsführung auskennen, doch sogenannte Inhausvergaben sind nur möglich, wenn die Kommune die Mehrheit am betreffenden Verkehrsunternehmen besitzt. Da wird dann ein Problem sehr deutlich: In Görlitz fährt die fast einzige privat betriebene Tram Deutschlands, anteilig im Besitz von Stadtwerken und Veolia Verkehr. Änderungen bedürfen also einer Positionierung in der Stadtspitze.

Doch egal, wer den Görlitzer Nahverkehr nach 2018 betreibt, er wird um große Investitionen nicht herumkommen. „Viel länger können die Linien nicht mit den jetzigen KT4D-Bahnen betrieben werden“, bestätigt Frank Müller. Investitionen vor 2017 sind aber nicht möglich, denn das Unternehmen braucht dafür Planungssicherheit über Jahrzehnte. Vieles ist dennoch bereits für die Zukunft betrachtet worden. Allein die Gleissanierung auf Berliner oder Zittauer Straße ist für 25 Jahre ausgelegt. Bei Fahrzeugen müsste möglichst der komplette Wagenpark gewechselt werden. „Denn sonst wären alle Wartungen, Sicherheitssysteme und Reparaturen für zwei Typen vorzuhalten, eine doppelte Werkstatt käme teuer“, überlegt Geschäftsführer Müller und hofft, dass es „auch in fünf Jahren noch Fördermittel im heute üblichen Umfang gibt.“ Denn auch so wird es enger mit den Finanzen, schließlich haben auch Busse und Bahnen mit steigenden Energiekosten zu kämpfen.

Zgorzelec hat Fahrpotenzial

Frank Müller spürt, dass die verlorene NVG-Betriebsführung im Norden auch die Görlitzer Kommunalpolitik aufgeschreckt hat. Oft ist er in den vergangenen Tagen zu Diskussionsrunden und Ausschusssitzungen unterwegs, folgt Einladungen von Parteien und Fraktionen. „Viele der Einlader kennen die Strukturen des Nahverkehrs kaum und signalisieren Informationsbedarf“, wertet Müller als gutes Zeichen. Da ist dann auch schon mal von Visionen die Rede, die man sich für die Zukunft erhalten müsse. „Der Stadtrat hat bekanntlich eindeutig die Weichen für den Erhalt der Straßenbahn gestellt“, erinnert der VGG-Geschäftsführer. Er sieht zwar den zweiten Bauabschnitt zwischen Marktkauf und Klinikum als nicht mehr sinnvoll an, weil die Baukosten nicht mit den zu erwartenden Fahrgastzahlen passen, aber „vielleicht sollte man ernsthafter an der Wiedererschließung von Rauschwalde arbeiten?“ Auch ist die vom Zgorzelecer Bürgermeister erhoffte Straßenbahn nach Polen weiter im Gespräch. Müller glaubt an das „Potenzial eines Zgorzelecer Innenstadtverkehrs mit sinnvollen Verknüpfungen am Görlitzer Postplatz.“ Dass solche Projekte realisiert werden, ist aber nicht Sache der Verkehrsgesellschaft. Das sind ebenso politische Entscheidungen wie die Vorgabe einer europaweiten Ausschreibung.

Auf ein Wort

Montag, 18. Juni 2012
(Sächsische Zeitung)

AUF EIN WORT


NVG-Verlust ist ein Signal für Görlitz
Ralph Schermann
über die Zukunft der Görlitzer VGG
Beim Busverkehr im Görlitzer Norden ist die Entscheidung gefallen. Sie ist intern umstritten, doch der Unterlegene der Ausschreibung wird sie nicht anfechten. Richtig so. Denn letztlich ist es wichtiger, möglichst viele Arbeitsplätze des bisherigen Unternehmens zu erhalten, im neuen Verkehrsbetrieb unterzubringen oder gar als Subunternehmer weiter Dienste anzubieten. Dabei wird man noch genügend Kompromisse hinnehmen müssen, und das wird in Euro und Cent zu benennen sein. Denn wie, wenn nicht über Löhne und Gehälter können die günstigsten Anbieter den Zuschlag erhalten, wenn Busse, Fahrer und Liniennetz vorerst nicht geändert werden durften? Ein Schelm, der Kommunalpolitikern hierbei anderes glaubt.

Der Personennahverkehr innerhalb der Stadt Görlitz ist nicht davon betroffen. Noch nicht. Insofern setzt der Verlust der NVG auch ein deutliches Signal für die Zukunft der VGG. Sie hat bisher viel in das Görlitzer Straßenbahnnetz eingebracht. Dass dies auch nach 2017 so bleibt, müssen die Weichen bald gestellt werden.

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