Schwerer Bahnunfall in Sachsen-Anhalt

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fahrmidda13
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Schwerer Bahnunfall in Sachsen-Anhalt

Beitrag von fahrmidda13 »

Habe gerade im Radio von einem schweren Zugunglück bei Oschersleben gehört.
Weitere Infos hier:
http://www.mdr.de/sachsen-anhalt/8168441.html
Bild

Zwei Fuzzies stehen auf einer Signalbrücke.
"Weißt du", sagt der eine, "wenn ich hier oben stehe und den Zug knipse, fällt irgendwie alles von mir ab."
"Schön" sagt der andere. "Hauptsache, es fällt mir nicht in die Fotolinie."

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Sithis
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Re: Schwerer Bahnunfall in Sachsen-Anhalt

Beitrag von Sithis »

Hab ich auch schon gehört. Ziemlich heftig...schon erschreckend, wie stark so ein Güterzug einen modernen Triebwagen aus den Gleisen heben kann :shock: .
Ich bin mal gespannt, was die Ursache war.
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M73
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Re: Schwerer Bahnunfall in Sachsen-Anhalt

Beitrag von M73 »

Was man so liest, ist die Ursache möglicherweise ein überfahrenes Halt-Signal.
Einzelne Berichte sprechen davon, daß der Tf offenbar nicht auf der ersten Maschine des Gz war.

Ich war allerdings überrascht, daß es in Deutschland noch immer Strecken mit einer V-max höher 60km/h gibt, die ohne INDUSI (bzw. PZB) ausgerüstet sind. Offenbar wird in diesem Beispiel regulär 100 km/h gefahren – ist schon heftig. :shock:

In Bayern gibt es viele kleine Nebenstrecken, die auch nicht induktiv gesichert oder gar ganz ohne Signale ausgerüstet sind (Zuruf-fahrt, Amtsdeutsch= "mündl. Zugleitbetrieb"), jedoch werden auf diesen Strecken nur Geschwindigkeiten bis max. 60 km/h (meist deutlich darunter) gefahren.
Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch .
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M73
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Re: Schwerer Bahnunfall in Sachsen-Anhalt

Beitrag von M73 »

So Leute, jetzt ist wieder einer dieser Momente, wo Ihr alle mal "Depp" zu mir sagen dürft:

Ich habe mich durch die EBO gewühlt und mußte feststellen, daß wohl wirklich erst ab Strecken mit über 100KM/H V-MAX Spulensätze benötigt werden.
Irgendwie hatte ich in Erinnerung, daß alle Fahrzeuge ab einer V-Max 60km/h, induktive Sicherheitseinrichtungen haben müßten.
Kann daß sein, daß nach 1989 sich die EBO in dieser Hinsicht geändert hatte? Hat einer noch eine EBO-West von vor 1989?
Allgemein gibt es lediglich eine Absicht des EBAs, daß Neufahrzeuge unabhängig von der V-max nur noch mit SIFA und PZB zugelassen werden sollen. Dieses soll wohl auch auf selbstfahrende Arbeitsmaschinen angewendet werden.
Auch Neubaustrecken müssen wohl erst in der Zukunft PZB haben, wenn sie unter 101 km/h bleiben.
Kann das sein?
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Sithis
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Re: Schwerer Bahnunfall in Sachsen-Anhalt

Beitrag von Sithis »

Wäre auch ganz interessant zu wissen. Es ist schon ziemlich bescheuert, die EBO regelt sonst jeden kleinen Blödsinn(selbst für einzelne Knöpfe gibt es Regeln), aber bei sowas versagt sie anscheinend, und das zu einem hohen Preis.
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M73
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Re: Schwerer Bahnunfall in Sachsen-Anhalt

Beitrag von M73 »

http://www.gesetze-im-internet.de/ebo/__15.html
http://www.gesetze-im-internet.de/ebo/__28.html
Ja besonders ärgerlich, weil es die induktive Beeinflussung von der Streckenseite her seit Mitte der 1930ger Jahre praktisch unverändert gibt; nur bei der Fahrzeugseite wurde schließlich über die Jahrzehnte erheblich nachgebessert. Man könnte schon meinen, daß nach ca. 75 Jahren sich doch mal diese Technik überall durchsetzen würde.

Also die Grenze für die Notwendigkeit einer PZB in den Vorschriften von 100 km/h ist für mich blanker Wahnsinn. Selbst bei 60 km/h , wo in meinen Erinnerungen rumspukt :?: :?: :?:(ob es die Grenze je gab oder gibt muß ich noch näher prüfen) , wäre das meinem Magen nach bereits fragwürdig.
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M73
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Re: Schwerer Bahnunfall in Sachsen-Anhalt

Beitrag von M73 »

Hier noch mal eine Anfrage an alle "Jäger und Sammler":

Hat jemand noch eine EBO (West) 1967 bis max. Änderungsstand 1981 (alle neueren Stände dürften schon durch die Deutsche Einheit geprägt sein)?

Mich interessiert speziell §15 und §28.
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Sithis
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Re: Schwerer Bahnunfall in Sachsen-Anhalt

Beitrag von Sithis »

Zur EBO kann ich jetzt nichts sagen. Es gibt aber Neuigkeiten:
http://de.news.yahoo.com/2/20110201/tts ... b2fc3.html
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M73
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Re: Schwerer Bahnunfall in Sachsen-Anhalt

Beitrag von M73 »

Ich habe auch einiges neues. Ich möchte mich beim "Alten Fritz" für die Infos bedanken. Fritz arbeitet bei der DB AG Systemtechnik und geht Mitte des Jahres nach 40 Jahren bei der Bahn in seinen wohlverdienten Ruhestand.

Zum aktuellen Unfall hatte er keine Informationen, aber einiges allgemeines.

Offenbar hatte die Deutsche Bundesbahn zu ihrer Zeit bedeutend mehr Sicherheit auf den Strecken errichtete, als was durch die Vorschriften gefordert war.

Es gab wohl eine interne, freiwillige Vorgabe, die Strecken im Bezug auf Halt-Überfahrten sicherer zu machen. Diese Vorgabe wurde Anfang der 60ger erstellt und seit dem Stück für Stück umgesetzt.

Demnach wurden eingleisige Strecken bis 100 km/h stufenweise über die Jahre mit 1000der und 2000der ausgerüstet. Bevorzugt wurden Strecken, die mit höherem Personenzuganteil belegt waren. Strecken, bei denen Züge so gut wie nie ausweichen mußten (z.B. nicht sehr dichter Fahrplan oder kurze Strecke) wurden der Priorität nach später ausgerüstet, wenn überhaupt. Auch Strecken mit z.B. 80 km/h wurden schneller versorgt, als Strecken mit nur z.B.50 km/h.
Strecken, mit sehr geringem Zugverkehr oder Abschnitte mit ausschließlich Güterverkehr wurden entsprechen vernachlässigt.

Routen mit V-Max unter 50 km/h kamen oft gar nicht oder erst sehr spät zu den Sicherungseinrichtungen. Auch wurden bei diesen Gleisabschnitten oft nur 2000der verwendet, da ein überweites Durchrutschen unwahrscheinlich war.

Erst beim Wandel zur "allseits beliebten" Bahn AG stagnierte dieses streben, kam aber nicht komplett zum Stillstand. Selbst unter Määäähdorn wurden einige Streckenabschnitte weiter aufgerüstet. Die Einführung der PZB 90 führte sogar zu einem weiteren Schub in der Nachrüstung.

Die größten Defizite in Sachen induktive Sicherheit gibt es offenbar in den neuen Bundesländern. Das dürfte mit der Dauersparpolitik der DDR und den damit verbundenen anders entwickelten Vorschriften zusammen hängen.
Aktuell (auch bereits vor dem Unglück) ist die DB AG ernsthaft daran interessiert, in der Sache den Stand im Osten an den Stand im Westen anzugleichen.

Speziell in Bayern war induktive Signalüberwachung schon zu Reichsbahnzeiten sehr verbreitet. Dort waren bereits 1944 weit über 50% (!!!) der Neben- und Kleinststrecken mit I34 ausgestattet, obwohl kurioser Weise noch etliche Triebfahrzeuge nicht damit ausgerüstet waren. Es dauerte weit bis in die 60ger, bis alle regulären Streckenfahrzeuge damit versorgt waren.
Man kann sagen, daß bis Ende der 80ger alle Strecken in Bavaria mit nennenswerten, täglichen Zugzahlen komplett mit der INDUSI gleisseitig versorgt waren.

Bei der Fahrzeugausstattung war es zw. 1962 und ca.1975 ähnlich. Alle Fahrzeuge die auf der Strecke Dienst taten oder sich häufig in Gleisräumen mit direktem Streckenverkehr aufhielten, wurden nach und nach mit mindestens I60 ausgestattet, auch wenn sie's nach der Vorschrift nicht nötig gehabt hätten.
Lediglich reine Bauzug-Fahrzeuge, Bw-Köfs ect. wurden meist nicht ausgerüstet.

Ironie des Schicksals: für Sachsen Anhalt sind offenbar für die nächsten Jahre Kosten für eine PZB-Nachrüstung eingeplant, auch für die Unfallstelle. Diese Informationen wurden nicht etwa erst jetzt von der DB AG herausgegeben (frei nach dem Motto: Erst wenn's kracht, tun wir was), sondern können in einem Informationsschreiben der DB AG an die Landesregierung von 2010 nachgelesen werden! Quelle ist hierzu der Bayerische Rundfunk.

Dagegen scheint INDUSI, selbst in den Nachkriegs -EBO's, wirklich erst ab 100 km/h Vorschrift gewesen zu sein.

Wenn ich mir den technischen Stand in Deutschland anschaue, fehlt mir irgendwie das Verständnis, daß heute noch immer nicht alle Strecken mit Personenverkehr mit PZB ausgerüstet sein müssen. Hier ist meiner Meinung nach die Politik gefordert, die Vorschriften zu ändern.
Ich möchte betonen, daß mein Unverständnis zu fehlenden PZB- Einrichtungen bis 100 km/h nicht gegen die DB AG gerichtet ist.
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koneggS
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Re: Schwerer Bahnunfall in Sachsen-Anhalt

Beitrag von koneggS »

Die größten Defizite in Sachen induktive Sicherheit gibt es offenbar in den neuen Bundesländern. Das dürfte mit der Dauersparpolitik der DDR und den damit verbundenen anders entwickelten Vorschriften zusammen hängen.
Nicht nur damit. Im aktuellen Fall soll es wohl mal eine Flankenschutzweiche gegeben haben, die von DB Netz zurückgebaut wurde. Die hätte auch ohne Indusi den Zusammenstoß verhindert. Das ist aber Sparpolitik und Profitgier der Bahn, denn eine Flankenschutzweiche muss auch unterhalten werden. Aber das EBA ist auch so blind und reagiert bei wirklich ernsthaften Dingen erst, wenn es zu spät ist. Dafür ist man dort ganz groß mit irgendwelchem bürokratischen Schwachsinn bei Zulassungen & Co (Siehe Umbau 143 zu 114.3).

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M73
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Re: Schwerer Bahnunfall in Sachsen-Anhalt

Beitrag von M73 »

Im aktuellen Fall soll es wohl mal eine Flankenschutzweiche gegeben haben, die von DB Netz zurückgebaut wurde.
Das kann's doch nicht sein. :shock:
Mitte der 80ger hat die Bundesbahn noch an bestimmten Stellen Flankenschutzgleisstummel nachgebaut - Hintergrund war, daß wenn ein Betriebsanschluß zu einer Firma vorhanden war, der mit Mechanischen Gleissperren mit Schutzentgleisung ausgerüstet war, ein Schutzgleis gespart wurde.
Nach einigen peinlichen Unfällen rüstete man an exponierten Stellen die Schutzgleise zusätzlich nach.
Ich nehme mir gleich mal die EBO vor - ich kann's fast nicht glauben, daß Schutzgleise keine Vorschrift sein sollen.

Verdammt noch mal!!! Verblödet Deutschland nur noch !!!??? :?: :kotz:
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koneggS
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Re: Schwerer Bahnunfall in Sachsen-Anhalt

Beitrag von koneggS »

Ich nehme mir gleich mal die EBO vor - ich kann's fast nicht glauben, daß Schutzgleise keine Vorschrift sein sollen.
Wenn der Durchrutschweg ab Signal ausreicht, ist nicht unbedingt ein Flankenschutz erforderlich. Dass der Durchrutschweg natürlich sinnfrei ist, wenn der Zug überhaupt nicht bremst, steht auf einem anderen Blatt.

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Sithis
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Re: Schwerer Bahnunfall in Sachsen-Anhalt

Beitrag von Sithis »

Dafür ist man dort ganz groß mit irgendwelchem bürokratischen Schwachsinn bei Zulassungen & Co (Siehe Umbau 143 zu 114.3).
Ja, und der ET423(oder 25?) brauchte wohl auch eine Neuzulassung, weil man einen Knopf zum zentralen Türenöffnen einbaute :roll: . Oder bei der S-Bahn Berlin brauchten die Fahrer für den Panorama-Zug eine neue Berechtigung, obwohl sich das Ding genauso fährt wie die Altbaureihen, aber wohl irgendein Teil aus der 481 stammt.

Wie sah das eigentlich bei der Reichsbahn aus? Ich habe gehört, daß die Technik dort auch sicherer war als heute.
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koneggS
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Re: Schwerer Bahnunfall in Sachsen-Anhalt

Beitrag von koneggS »

Ich habe gehört, daß die Technik dort auch sicherer war als heute.
Wie meinst du das genau? Im Fall der Flankenschutzweiche wäre der Güterzug im Feld gelandet, die Toten hätte es nicht gegeben. So gesehen ja.

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Sithis
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Re: Schwerer Bahnunfall in Sachsen-Anhalt

Beitrag von Sithis »

Nein, angeblich soll die Signaltechnik da sicherer gewesen sein, so daß wohl gleich eine Zwangsbremsung vollzogen worden wäre. Weiß da jemand mehr?
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