[GR] Görlitzer Straßenbahn rollt seit 130 Jahren (Artikel)

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Daniel Kramer
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[GR] Görlitzer Straßenbahn rollt seit 130 Jahren (Artikel)

Beitrag von Daniel Kramer »

Samstag, 26. Mai 2012
(Sächsische Zeitung)

Görlitzer Straßenbahn rollt seit 130 Jahren
Von Ralph Schermann


Im Mai 1882 war Betriebsbeginn.
15 Jahre lang dienten zunächst Pferde als Antrieb. Dann trat die Elektrische ihren Siegeszug an.


1895 entstand dieser Blick auf den Obermarkt mit gleich drei Pferdebahnen. Repro: Sammlung Ralph Schermann

Bus und Bahn haben in Görlitz ein Doppeljubiläum: Am 25.Mai vor 130 Jahren nahm die Pferdestraßenbahn ihren Betrieb auf. Zehn Jahre später rollte am 5. Juni 1892 der erste Stadtbus – auch noch von Pferden gezogen.

Natürlich waren auch vor 1882 schon Pferde in Görlitz unterwegs. Es gab die Postkutschen im Fernverkehr, Droschken und allerlei Fuhrwerke innerhalb der Stadt. Auch eine Art Nahverkehr bestand spätestens mit einem ständigen Kutschen-Zubringer zwischen dem Hotel „Zum Strauß“ am Demianiplatz und dem Bahnhof. Mit dem Ausbreiten Görlitzer Stadtviertel kam ab 1872 aber immer öfter der Gedanke einer Straßenbahn ins Gespräch. Erst 1881 aber wurde ein entsprechender Vertrag abgeschlossen – mit dem Berliner Bankier Moritz Goldstein. Gemeinsam mit der Stadtverwaltung wurde eine Pferdestraßenbahn mit einer Spurweite von 1435 mm gebaut.

Am 25. Mai 1882 wurde das erste Teilstück in Betrieb genommen. Vom Nikolaigraben aus ging es über 3,2 Kilometer über Grüner Graben, Kaisertrutz, Obermarkt, Postplatz zum Bahnhof. Eine Woche später folgte eine Linie über Mühlweg, Moltke- und Blockhausstraße zum Bahnhof und von dort zum Schützenhaus auf insgesamt 3,7 Kilometern. Das Depot für die zunächst zehn Wagen befand sich auf der Hotherstraße nahe der Einmündung Nikolaigraben, der Pferdestall auf dem Demianiplatz beim Lokal „Zur goldenen Sonne“. Legendär wurde der Abschnitt Blockhausstraße, wo die Wagen wegen der Steigung statt einem oft bis zu drei Pferde vorgespannt bekamen. Auch Sonderfahrten wurden bekannt. So verkehrten nach Theaterschluss Wagen, deren Mitfahrt allerdings 20 statt sonst 10 Pfennig kostete. 1983 wurde das Teilstück über die Hugo-Keller-Straße und den Nikolaigraben nicht mehr laut Fahrplan, sondern nur noch für Dienstfahrten benutzt. 1889 zog der dortige Betriebshof auf die Bahnhofstraße 29 um. Noch heute sind dort von der Straße aus zwei blaue Tore der ehemaligen Wageneinfahrten zu erkennen. Dieser Betriebshof wurde auch noch von der elektrischen Straßenbahn genutzt. Kaum zu glauben, dass dort einmal bis zu 42 Fahrzeuge standen.

1890 befuhr die Pferdestraßenbahn eine Ringlinie Bahnhof – Obermarkt – Bahnhof, eine Linie vom Untermarkt zum Bahnhof sowie eine Linie zum Schützenhaus. 1892 kam die Pferdeomnibuslinie Jüdischer Friedhof – Landeskrone mit acht Omnibussen dazu. Gefahren wurde überwiegend im Zwei-Stunden-Takt. Die Pferdebahn zählte am Ende ihrer Existenz zwölf Fahrzeuge und 58 Pferde und beförderte damals jährlich rund 730000 Personen. Die wirtschaftlichere Elektrifizierung war freilich auch in Görlitz nicht aufzuhalten. Am 1.Oktober 1896 übernahm die AEG Berlin den Betrieb, spurte auf nur noch 1000mm um und unternahm 1897 zahlreiche Probefahrten. Im Dezember 1897 rollten die ersten „Elektrischen“ fahrplangerecht durch Görlitz – mit Pferdebahnwagen als Anhänger.
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