"Kölner" der Wiener Lokalbahnen AG

Rund um das Thema historische Straßenbahnfahrzeuge und Museumsstraßenbahnen
Antworten
Benutzeravatar
WienerLinien
Beiträge: 51
Registriert: 15.11.2007 12:33
Wohnort: Wien

"Kölner" der Wiener Lokalbahnen AG

Beitrag von WienerLinien »

Am Freitag, dem 22.Oktober 1993, endete bei der AG der Wiener Lokalbahnen (WLB) der planmäßige Einsatz von ehemaligen kölner Triebwagen. Nach der Lieferung und Inbetriebnahme der ersten drei Gelenktriebwagen der sechsten Bauserie (Nummern 122 – 126) konnte auf den Einsatz der vierachsigen Mitteleinstiegswagen verzichtet werden. Am 26.Oktober, dem österreichischen Nationalfeiertag, gab es noch zwei Abschiedsfahrten mit zwei Garnituren.

Als im Jahre 1957 in Köln die Ausmusterung älterer Vorortbahn-Vierachser aus den zwanziger Jahren erforderlich wurde, befasste sich die Verwaltung der Kölner Verkehrsbetriebe mit Gedanken über neue Fahrzeuge für diesen Betriebsteil. Für die Linien B, F, G und P sollte ein ausreichend bemessener neuer Wagenpark beschafft werden. In diese Zeit fiel auch das vom Bund ins Leben gerufene Förderprogramm für die Not leidende Wirtschaft der Stadt Berlin. Die dort ansässige Waggonindustrie konnte dadurch die Fertigung von Straßenbahnen zu günstigen Konditionen offerieren. Die Kölner Verkehrsbetriebe nützten die Chance, um je eine Serie von Vorort- und Straßenbahnwagen in Berlin bauen zu lassen. Für die Vorortbahnen wurde ein Auftrag über den Bau von 25 Trieb- und 21 Steuerwagen an die Deutschen Waggon- und Maschinenfabriken (DWM) vergeben. Die Lieferung erfolgte zwischen Mai und Oktober 1958. Diese Serie stellte den Abschluss in der Entwicklung eigener Fahrzeuge für die kölner Vorortbahnen dar.
Es handelte sich im wesentlichen um Neubauten, nur wenige Bestandteile älterer Fahrzeuge wie Radsätze und Bremseinrichtungen fanden beim Bau Verwendung. Äußerlich konnte man die DWM-Wagen als Weiterentwicklung der in den Jahren 1938/39 gebauten Vorortbahnfahrzeuge ansehen, die bewährte Konstruktion mit Mitteleinstieg bildete auch hier die Grundlage. Die Triebwagen hatten eine Länge von 13 m und eine Breite von 2,32 m, waren 18,5 t schwer und verfügten über eine Vielfachsteuerung. Jeder Wagen war mit nur einem Führerstand ausgestattet, ein Zweiwagenzug (Triebwagen + Steuerwagen) bildete die kürzeste im Betrieb mögliche Einheit. Von der tiefliegenden Mittelplattform, die durch eine breite Doppelschiebetür der Bauart Kiekert abgeschlossen war, erreichte man die beiden Fahrgasträume. Die Sitze waren teils längs, teils quer, teils einzeln teils doppelt angeordnet. Jeder Wagen fasste 107 Fahrgäste auf 34 Sitz- und 73 Stehplätzen. Der Führerstand war gegenüber dem Fahrgastraum vollständig abgeschlossen, ein Zugang war nur durch eine Türe vom Wageninneren her möglich. Der Wagenkasten saß auf zwei schweren Drehgestellen mit 1,8 m Achsstand, der Drehzapfenabstand betrug 7,3 m. Die Widerstände waren auf dem Dach des Triebwagens angeordnet, der Stromabnehmer war über dem führerstandslosen Ende montiert. Die Steuerwagen hatten keinen Stromabnehmer und keine sonstigen Dachaufbauten.
Die neuen Vorortbahnwagen besorgten den Verkehr auf den Linien B nach Bensberg und P nach Porz. Allerdings erwiesen sich die von DWM entwickelten Drehgestelle als unbrauchbar und mussten durch eine Neukonstruktion ersetzt werden. Inzwischen mussten die Wagen zeitweise aus dem Betrieb genommen werden.
Den Triebwagen wurde die Nummerngruppe 1141 bis 1165, den Steuerwagen die Nummern 2141 bis 2161 zugeteilt. Der Triebwagen 1159 trug für die Zeit seiner Verwendung als Dienstwagen die Nummer 1859.
Als 1967 und 1968 die rechtsrheinischen Vorortbahnstrecken in das Straßenbahnnetz einbezogen wurden, verloren die noch fast neuwertigen Fahrzeuge ihr Haupteinsatzgebiet. Die KVB suchten daher nach einem Käufer. Ein Kaufabschluss mit Alexandria in Ägypten zerschlug sich wegen des Transportproblems. Mit der Verschrottung der Fahrzeuge war bereits begonnen worden, als 1968 die WLB ihr Interesse bekundeten. Es konnten schließlich neun Trieb- und sechs Steuerwagen übernommen und Anfang 1969 per Bahn nach Wien transportiert werden.
Folgende Wagen kamen zur WLB (in Klammer die von den WLB verwendete Nummer)
Triebwagen: 1164 (11), 1158 (12), 1155 (13), 1144 (14), 1154 (15), 1163 (16), 1156 (17), 1161 (18), 1859 (19); Steuerwagen: 2161 (91), 2144 (92), 2158 (93), 2157 (94), 2154 (95), 2153 (96)
Am 5.März 1969 schleppte die Lok 80 die ersten sieben, auf vierachsigen Flachwagen verladenen Fahrzeuge vom damaligen ÖBB-Übergabebahnhof Maxing nach Inzersdorf Lokalbahn, weitere sieben Wagen folgten einen Tag später. Der Triebwagen 1859 kam erst im Herbst 1969.
Zur Anpassung an die neuen Betriebsverhältnisse mussten die Neuankömmlinge diverse Umbauten über sich ergehen lassen. Der Stromabnehmer rückte wegen der Lage der Fahrleitungskontakte für die E-Weichen in Wien zum vorderen Wagenkopf, auch die Steuerwagen wurden mit Stromabnehmern ausgestattet. Das ehemalige Liniensignal wurde bei Trieb- und Steuerwagen ausgebaut, an seine Stelle kam ein Scheinwerfer, wodurch die Wagen ein Dreilicht-Spitzensignal hatten. Der kölner cremefarbene Lack wich einer weiß-blauen Farbgebung mit orangefarbenem Zierstreifen, der aber bei Neulackierungen im Laufe der Jahre sukzessive wieder entfernt wurde. Als letzter verlor der Triebwagen 19 im Mai 1988 diese orangefarbene Linie.
Aus Kapazitätsgründen konnte die betriebseigene Werkstätte der WLB in Inzersdorf nicht alle Umbauten selbst durchführen. Die Wagen 11, 12, 91 und 92 wurden in Eigenregie adaptiert und am 14.6.1969 (11 + 91) und am 1.12.1969 (12 + 92) fertiggestellt. Die ISTG-Werkstätte Inzersdorf übernahm die Wagen 14, 17, 93, 94, 95 und 96, das SGP-Werk Simmering die Triebwagen 13, 15, 16, 18 und 19 zwischen Dezember 1969 und Feber 1970. Ursprünglich war vorgesehen, den sechsten Steuerwagen in einen Triebwagen (vorgesehener 20) umzubauen, er verblieb jedoch als Steuerwagen.
Unmittelbar nach der Fertigstellung der ersten Garnitur (11 + 91) erfolgte am 14.Juni 1969 auch die erste Probefahrt nach Leesdorf. Am 15.Juni 1969 wurde um die Betriebsgenehmigung angesucht, die Probefahrt mit der Genehmigungsbehörde fand am 6.August 1969 statt. Auch im wiener Straßenbahnnetz gab es Fahrversuche, so etwa am 11.September 1969 auf der Strecke der 1972 eingestellten Linie 106 zur Simmeringer Lände.
Am 23.April 1970 liefen die kölner Fahrzeuge erstmals im regulären Personenverkehr. Sie verkehrten zu den verkehrsschwachen Zeiten als Zweiwagenzüge, im Berufsverkehr zwischen Wien Wolfganggasse und Baden Josefsplatz als Vierwagenzüge. Neu eingeführt wurden schaffnerlose Wagen, es waren dies jeweils der zweite und ein allfälliger vierter Wagen innerhalb des Zuges. Der erste und der dritte Wagen fuhren mit angelegtem Stromabnehmer. Nach Auflassung der Schleife am Badener Josefsplatz waren der erste und bei Vierwagenzügen der letzte Wagen mit einem Zugbegleiter besetzt, auch waren nun bei diesen Wagen die Stromabnehmer angelegt. Im Gegensatz zu den alten Wagen gab es in den „Kölnern“ keine Raucherabteile mehr.
Infolge des schon recht schlechten Allgemeinzustandes einiger Fahrzeuge kam es gegen Ende der achtziger Jahre noch zu größeren Erhaltungsarbeiten. Als Besonderheit übernahm das Rotax-Werk in Wien Floridsdorf (heute Bombardier Wien Schienenfahrzeuge AG; in der Donaufelder Straße; vormals Lohner-Werke) im Mai 1987 die Instandsetzung der Triebwagen 13 und 16.
In den letzten Betriebsjahren wurden die „Kölner“ nur noch an Werktagen außer Samstag in zwei Umläufen eingesetzt. Bis zur Aufgabe der Freifahrten an den Einkaufssamstagen im Juni 1990 sowie zu Sportveranstaltungen im Südstadt-Stadion fuhren diese Züge jedoch auch samstags.
Als erster „Kölner“ schied der Steuerwagen 94 wegen defekter Druckluftleitung am 3.August 1989 aus dem Aktivbestand aus. Der Triebwagen 12 kollidierte am 8.August 1990 in Inzersdorf mit einem Lastkraftwagen und trug dabei am Führerstand erhebliche Schäden davon. Dies bedeutete sein Ende.
Der Triebwagen 14, nach einer Entgleisung seit 2.Feber 1990 auf dem Abstellgleis, musste daraufhin repariert werden.
Die nächste einschneidende Maßnahme kam zu Ostern 1992. Nach der Inbetriebnahme der fünften Gelenkwagenserie (Nr. 119 bis 121) gab es nur noch einen Umlauf, womit die Steuerwagen überflüssig wurden. Die Wagen 92 und 95 waren am 10.April 1992 letztmals im Einsatz. Für den Betrieb blieben acht Triebwagen übrig, von denen maximal vier im Verkehr waren. Die Betriebsreserve betrug also 100%.
Am letzten regulären Betriebstag, dem 22.Oktober 1993, lief die Garnitur 16 + 18 + 19 + 13 als Zug 51 um 5.20 Uhr vom Bahnhof Wolfganggasse aus, der letzte Vierwagenzug verließ Baden um 18.45 Uhr mit den Fahrzeuge 18 + 16 + 14 + 15 als Zug 186. Der Folgetag bescherte der Garnitur 15 + 14 + 19 + 13 den letzten Fußballmatch-Einsatz. Allerdings fügten Rowdies auf der Rückfahrt dem Triebwagen 14 beträchtliche Schäden zu, indem sie Glühlampen und ein Fenster zertrümmerten und ganze Sitzbezüge aus dem Wagen warfen. (!)
Da für die Abschiedsfahrten am 26.Oktober ein Ansturm von Eisenbahnfreunden erwartet wurde und alle acht Triebwagen verfügbar sein mussten, bekam die Werkstätte Inzersdorf den Auftrag, den Triebwagen 14 nochmals herzurichten. Nach mehreren verregneten Tagen hatte für den Abschied sogar der Wettergott etwas Einsehen. Es wurden folgende Umläufe gefahren: 87 – 100 – 111 – 124 – 137 – 150 mit der Garnitur 17 + 11 sowie 97 – 110 – 121 – 134 – 147 – 160 mit den Wagen 13 und 19. Die Züge waren an beiden Stirnfronten mit Girlanden geschmückt. Der Umlauf 147 – 160 erhielt ab Wien Wolfganggasse Verstärkung durch die vorangestellten (nicht geschmückten) Wagen 15 und 14. So blieb der geschmückte Zugteil bei der Rückfahrt an der Spitze. Pünktlich um 16.00 Uhr verließ der Vierwagenzug 19 + 13 + 14 + 15 gut besetzt den Josefsplatz in Baden Richtung Wien. Mit der Einstellung der Wagen 19 und 13 in der Remise Wolfganggasse um 17.25 Uhr endete die Ära der kölner Wagen bei den WLB.
Die Triebwagen 13, 15 und 19 wurden am 10.November auf Eisenbahnwaggons verladen, um wieder zurück nach Köln abtransportiert zu werden. Sie sind heute im Kölner Straßenbahnmuseum, wieder in den Ursprungszustand (als 1159, 1154 und 1155) zurückversetzt, zu sehen.
Die restlichen fünf Triebwagen wurden an den Saurierpark in Traismauer abgegeben, wo sie zusammen mit im Vorjahr (1992) erworbenen Wagen auf einer eigens zu errichtenden Strecke eine neue Verwendung finden sollten. Das Projekt in Traismauer zerschlug sich aus finanziellen Gründen, und so wurden 199? die dort ungeschützt herumstehenden WLB-Triebwagen (auch zwecks Parkplatzgewinnung) an Ort und Stelle verschrottet. Somit gibt es von dieser Type nur mehr die drei verbliebenen Museumsfahrzeuge in Köln, da bei der WLB keines dieser Fahrzeuge, die 24 Jahre lang den Betrieb prägten, erhalten wurde.
Seit dem Ausscheiden dieser Fahrzeuge wird der Betrieb auf der WLB nun gänzlich schaffnerlos mit den seit 1979 beschafften achtachsigen Gelenktriebwagen und den sechsachsigen Niederflur-Gelenktriebwagen abgewickelt. Für die Bediensteten ergaben sich dadurch keine Nachteile, da alle Zugbegleiter der WLB als Triebwagenführer ausgebildet sind.

Bilder:

Bild
In Köln: Der Triebwagen 1160 mit einem Steuerwagen und einem weiteren Triebwagen im Jahr 1967 an der Nordseite des Neumarktes

Bild
Der Triebwagen 1161 der KVB am 4.6.1960 mit einem Vierwagenzug auf der Überlandlinie P in Zündorf.

Bild
Die ersten „Kölner“ erreichen Wien. Der Überstellzug mit WLB-Lok 80 am 5.3.1969 im Bahnhof Maxing

Bild
Erste Probefahrten in Wien; ex KVB 2158 und 1156 am 12.3.1969 im Bahnhof Wien Wolfganggasse

Bild
Die Garnitur 95 + 15 passiert am 25.9.1976 die riesige U-Bahn-Baustelle Karlsplatz.

Bild
Ein Vierwagenzug am 21.6.1975 auf heute nicht mehr vorhandenen steilen Rampe zur Brücke über die Südbahn in der Eichenstraße. (Foto: Heinz Heider)

Bild
Der Lack der letzten Jahre. Wien Wolfganggasse, 199x

Bild
Am 21.10.1993, dem vorletzten Tag des regulären Betriebes der „Kölner“, sind die Triebwagen 18, 16, 13 und 19 in der Eichenstraße unterwegs

Bild
Die WLB-Lok 81 schiebt den ÖBB-Flachwagen Rns-z 31 81 399 1 351 am 8.11.1993 unter den vor der Werkstätte Inzersdorf zum Verladen nach Köln aufgebockten Triebwagen 19.

BildBild
Die restaurierten Wagen des Kölner Straßenbahnmuseums.
Gemeinde Wien - städtische Straßenbahnen

Antworten