A100, Ein Projekt von Vorgestern

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Manitou
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A100, Ein Projekt von Vorgestern

Beitrag von Manitou »

Berliner, nehmt Euch die Stuttgarter zum Vorbild!

Die A100, ein Projekt der längst gescheitertern Idee der autogerechten Stadt aus den 60er Jahren des vergangenenen Jahrhunderts, noch heute fortzusetzen, ist eine sinnlose Zerstörung der Stadt. Bei einer früheren Arbeit sah ich Fotos aus Westend, Charlottenburg und Steglitz, bevor dort wertvolle Gründerzeitviertel durch die Autobahn vernichtet wurden. Deswegen kann ich nur warnen, indem ich die Worte eines großen Christen für meinen Text zum Vorbild nehme:
Die Autobahn

Als die Bagger sich durch Neukölln wühlten,
habe ich geschwiegen; ich war ja kein Neuköllner.
Als die Gärten in Treptow platt gemacht wurden,
habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kleingärtner in Treptow.
Als Wohnhäuser in Lichtenberg zertrümmert wurden,
habe ich geschwiegen; ich war ja kein Lichtenberger.
Als die Asphaltmaschinen Wedding wie eine Axt in zwei Teile schlugen,
habe ich geschwiegen; ich war ja kein Weddinger
Als in Friedrichhain der Frieden für die Blechlawine geopfert wurde,
habe ich geschwiegen; ich war ja kein Friedrichhainer.
Als sie mich exmitierten und meine Wohnung sprengten,
gab es keinen mehr, der protestieren konnte.




Frei nach Martin Niemöller


Warum wähle ich für diesen Text ein Bahnforum?

Weil ich hier hoffentlich Mitstreiter für eine vernünftige Verkehrspolitik jenseits von Auto-Fanatikern finde.


P.S.: Besser wäre es, dieser Beitrag könnte statt in bei "sonstige Verkehrssysteme" in einer Rubrik "Verkehrspolitik" stehen.

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Sithis
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Re: A100, Ein Projekt von Vorgestern

Beitrag von Sithis »

Daraus wird doch nur wieder eine fruchtlose Grundsatzdiskussion, die nichts bringt und wenig mit dem Forenthema zu tun hat. Zudem: Wieso sollte mich der Ausbau der A100 tangieren? Die Berliner - insofern es überhaupt noch echte Berliner sind und nicht irgendwelche Zugezogenen aus BaWü oder dem Orient - sind doch selber schuld an ihrer Misere. Jahrelang wählte man immer die gleichen Parteien, hat die Stadt verlottern lassen und heute hat man eben die Bescherung. Diese Bestandsaufnahme trifft übrigens nicht nur auf Berlin, sondern auf die ganze BRD zu. Wer ernsthaft glaubt, mit dem richtigen Kreuzchen auf dem Stimmzettel oder gar sogenannten Bürgerinitiativen könne man ernsthaft was verändern, der glaubt auch, daß Krebs mit Kopfschmerztabletten heilbar ist. Mit irgendwelchen Pfaffen habe ich es nicht so, daher lieber ein zutreffenderes Zitat: Wählen gehen ist wie sich zwischen zwei Haufen Scheiße zu entscheiden.
Die ganze Situation ist eingerissen und irgendwelcher Möchtegern-Widerstand zwecklos. Wenn man jahrelang oben eine Bagage gewähren läßt, die man zu besseren Zeiten aus den Ämtern geprügelt und ihnen die Ehrenlaterne am Kälberstick für ihre Leistung verpaßt hätte, muß man sich nicht wundern, wenn sowas wie Stuttgart 21 oder der A100-Ausbau möglich sind.
Und was haben die Proteste in Stuttgart gebracht? Gar nichts. Der Bahnhof wird kommen, ob man es mag oder nicht. Wenn ich schon solchen Quatsch wie das Wort "Bürgerbegehren" lese...sollte sich langsam eben herumsprechen, daß dies nur eine Scheindemokratie ist.
Aber wer mag, kann ja gerne gegen die A100 protestieren. Aber hinterher bitte nicht wieder über die böse Polizei heulen, die dann auch nicht vor Gewalt gegen Rentner und Kinder zurückschreckt. Und auch nicht über andere Länder aufregen, in denen sogenannte Rebellen und Oppositionelle ebenso niedergehalten werden, nur um anschließend über fremde "Diktaturen" zu schimpfen und sich über unseren demokratischen Rechtsstaat gegenseitig auf die Schulter klopfen.
Ich sehe es aber schon wieder bildlich vor mir, wie da irgendso ein Öko-Vogel mit Nickelbrille und trendy handgemachter Umhängetasche aus dem 3. Welt-Laden im 12. Semester Philosophie mit seinem Fahrrad zur Demo fährt und Trillerpfeifchen bläst oder Transparente schwenkt.
Zynismus ist der geglückte Versuch, die Welt zu sehen, wie sie wirklich ist. - Jean Genet

Manitou
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Re: A100, Ein Projekt von Vorgestern

Beitrag von Manitou »

Es geht genau darum, daß auch "Normalbürger" wie in Stuttgart protestieren. Das kann man auch mittels eines Bürgerbegehrens zur Herbeiführung eines Volksentscheides tuen, um den Unfug der weiteren Stadtzerstörung mit dem Stimmzettel zu kippen. Und da sollen nicht nur die heute betroffenen, sondern auch die mitmachen, deren Stadtviertel erst in 5 oder 10 Jahren für den Autobahnbau zerstört wird. Nach dem Treptower Abschnitt ist der nächste angekündigt, aber ohne zu sagen, welche Häuser abgerissen werden.

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Sithis
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Re: A100, Ein Projekt von Vorgestern

Beitrag von Sithis »

Das läuft schlußendlich nur auf jahrelange Rechtsstreits vor scheinbar unabhängigen Gerichten hinaus. Zudem sind Wahlen auch leicht manipulierbar. Abgesehen davon sind derzeit wohl die meisten Berliner für einen Ausbau, ergo könnte so ein Volksentscheid - der sowieso nicht zwangsläufig bindend sein muß - nach hinten losgehen.
http://www.tagesspiegel.de/berlin/sollt ... 58554.html

Nebenbei denke ich nicht, daß wir hier ein Unterforum "Verkehrspolitik" brauchen. Das wäre dann schon wieder etwas sehr DSO-mäßig.
Zynismus ist der geglückte Versuch, die Welt zu sehen, wie sie wirklich ist. - Jean Genet

Manitou
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Re: A100, Ein Projekt von Vorgestern

Beitrag von Manitou »

Jedes Jahr Bauverzögerung durch Gerichtsverfahren ist bereits ein Gewinn. Und manch ein Projekt kann solange verzögert werden, bis es aus anderen Gründen kippt.

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Matze
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Re: A100, Ein Projekt von Vorgestern

Beitrag von Matze »

Manitou hat geschrieben:Jedes Jahr Bauverzögerung durch Gerichtsverfahren ist bereits ein Gewinn. Und manch ein Projekt kann solange verzögert werden, bis es aus anderen Gründen kippt.
"Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren."
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M73
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Re: A100, Ein Projekt von Vorgestern

Beitrag von M73 »

Wenn ich richtig informiert bin, geht die A100 mitten durch die Stadt. In Zeiten der Berliner Teilung durchaus zu Verstehen, da es ja nicht viel westlichen Ersatzraum gegeben hat. Unabhängig, ob man ÖPNV oder IV favorisiert, denke ich, daß die A100 in der bestehenden und geplanten Form nach der Wiedervereinigung jedwede Legitimation verloren hat. Wenn schon einen Autobahnring, dann doch viel weiter draußen, und nicht mitten durch bestehende Siedlungen.

Nach dem 2. Weltkrieg wollte man auch in München mitten durch den alten Stadtkern eine Autobahnähnliche Streckenführung, etwa auf der Route des heutigen Altstadtrings. Unzählige historische Gebäude wären der Trasse zu Opfer gefallen. Doch der damalige Oberbürgermeister Thomas Wimmer hatte sich stehts gegen diese Pläne gewehrt. Damals meinte er unter Anderem: "Wenn's nimma Vorwärts komma, mit ernane Stinkakarrn, dann bleims einfach steh – dann wernds scho vernünftig" (Wenn's nicht mehr Vorwärts kommen, mit ihren Stinkerkarren, dann bleibens einfach stehen – dann werdens schon Vernünftig).

Der sehr breit gebaute Mittlere Ring wurde auch in den 60gern gebaut, aber fast ausnahmslos auf einer Trasse, die ohnehin noch recht wenig bebaut war. Mir sind leiglich im Berich der Donnersberger Brücke Häuser bekannt, die dem Straßenbau damals weichen mußten.

Wenn ich mir die Planungen für die A100 anschaue, habe ich den Eindruck, daß hier ganze Häuserreihen dafür geplättet werden sollen. Habe ich das richtig verstanden?

In München ist seit 2009 der Autoverkehr rückläufig (wenn auch kaum zu bemerken). In etwa dieser Zeit explodieren gerade zu die Fahrgastzahlen bei den Städtischen öffentlichen Verkehrsmittel. Ein sehr entscheidender Grund dürfte aber auch die weitgehende Fertigstellung des Münchner Autobahnrings A99 sein, so daß viel Verkehr um München rum und nicht durch fährt. Also wenn einen Ring, dann schön weit draußen.
Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch .
(Karl Valentin, Münchner Volksschauspieler und Humorist)

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Sithis
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Re: A100, Ein Projekt von Vorgestern

Beitrag von Sithis »

Du kannst dir ja mal die Seite der Gegner ansehen.
http://www.stop-a100.de/

Es ist im Endeffekt ein Thema, was die Berliner spaltet. Ich bin auch nicht unbedingt ein Befürworter, jedoch meine ich, daß man die Suppe, die man sich eingebrockt hat, nun auch auslöffeln muß. Wäre man mehrheitlich dagegen, hätte man auch(wenn man glaubt, daß es hilft) die Parteien wählen sollen, die dagegen sind, und die auch regierungsfähig sind.
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M73
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Re: A100, Ein Projekt von Vorgestern

Beitrag von M73 »

Danke für den Link und ich habe mir das mal von Oben und im I-Net mal angeschaut und …..

Naja, als Außenstehender da etwas dazu Sagen ist schwierig; schließlich war ich noch kein einziges Mal in der "Reichshauptstadt".

Aber den Eindruck, den man durch diverses Filmmaterial bekommt, erscheint mir dort kein größeres Verkehrsgewirr zu sein, als in den meisten anderen Großstädten. Da geht’s anscheinend z.B. im Ruhrpott doch etwas wilder auf den Straßen zu; so zumindest mein "Medialer Eindruck".

Daß man in der heutigen Zeit noch Häuserzeilen für Straßengroßprojekte killen möchte…?
Ob das Sinn macht?

Die politische Seite ist natürlich auch Interesannt...

P.S.
P.S. In München untertunnelt man in den letzten Jahren den Mittleren Ring an vielen Stellen – und das wird auch in den nächsten Jahren so weiter gehen(der Mittlere Ring ist zwischen Innenstadt und Autobahnring die Hauptader für den Münchner Verkehr und annähernd vergleichbar). Wäre das dort eine Lösung?
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bim
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Re: A100

Beitrag von bim »

Sithis hat geschrieben:Wäre man mehrheitlich dagegen, hätte man auch(wenn man glaubt, daß es hilft) die Parteien wählen sollen, die dagegen sind, und die auch regierungsfähig sind.
Parteien, die gegen den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur sind, sind kaum regierungsfähig, haben keine Mehrheiten von Wählern hinter sich. Überall in Deutschland wird der Ausbau der Verkehrswege voran gebracht.
Im Gegensatz zu den westlichen Berliner Bezirken krankt die östliche Stadthälfte immer noch an mangelhaften Transportwegen, zumal die Eisenbahninfrastruktur für den Güterverkehr nach der "Wende" massiv zurückgebaut wurde. So quälen sich tausende Lastkraftwagen über das zu DDR-Zeiten nur unzulänglich ausgebaute Hauptstraßennetz, oft durch dicht besiedelte Wohngebiete. Um diesen Wirtschaftsverkehr und den die Innenstadt lediglich durchquerenden Individualverkehr wirksam zu reduzieren, muss der schon zum größeren Teil fertiggestellte Autobahnring A100 schrittweise geschlossen werden. Einhergehend lässt sich innerhalb des Autobahnringes (weitgehend identisch mit dem S-Bahnring / Ringbahn) eine großflächige Verkehrsberuhigung und ein echter Vorrang für den ÖPNV umfassend verwirklichen. Die Integration besonderer Bahnkörper für die Straßenbahn in vom Durchgangsverkehr entlastete Hauptstraßen wird leichter.
Ganze Häuserzeilen muss man für den weiteren Ausbau der A100 nicht opfern, da sich im 21. Jahrhundert eine stadtverträgliche Bauweise durchgesetzt hat, Bündelung mit Wasser- und Schienenwegen und unterirdischer Verkehrsführung in landschaftlich oder städtebaulich hochwertigen Lagen. Gut anzuschauen anhand der in den letzten Jahren vom Bund errichteten Abschnitte der A100 und A113. Für den bereits planfestgestellten Abschnitt von Neukölln nach Treptow müssen nur einzelne ältere Mietshäuser an der Beermannstraße weichen, deren Eigentümer entschädigt werden.

Dagegen sind Planungen zum Tangentensystem als Hochstraßenprojekte durch Viertel der Berliner Innenstadt längst in den Archiven verschwunden. Auch die zu DDR-Zeiten autogerecht ausgebauten Hauptstraßenzüge im Bezirk Mitte, besonders die Karl-Liebknecht-Straße und der Straßenzug Grunerstraße - Spittelmarkt - Leipziger Straße wurden bereits oder werden noch in der Anzahl der Fahrspuren reduziert und mit neuen Straßenbahnstrecken auf mittig gelegenen besonderen Bahnkörpern ausgestattet.
So long

Mario

T6A2mod
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Re: A100, Ein Projekt von Vorgestern

Beitrag von T6A2mod »

Ob die A100 sein muss oder nicht darüber lässt sich streiten! Ich bin zwar der Meinung, dass Berlin die A100 nicht benötigt, nur bräuchte man dafür eine bessere ÖPNV-Politik. Leider sind Politiker und bislang alle Parteien nur eins käuflich und abhängig von der Automobilindustrie bzw. -lobby und somit ist die A100 notwendig, weil man keinen mehr zumuten kann täglich bis zu über 30 Minuten im Verkehrsraum der geplanten A100-Verlängerung im Stau zu stehen.

Manitou
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Re: A100, Ein Projekt von Vorgestern

Beitrag von Manitou »

Beim Abriß der Häuser werden zwar die Eigentümer entschädigt, nicht jedoch die Mieter, die keine gleichwertige Wohnung zu gleicher Miete bekommen. Außerdem werden preisgünstige Wohnungen aus dem Markt genommen, was zur weiteren Steigerung des Mietniveaus beiträgt. Die Stauminderung = Beschleunigung des Individualverkehrs ist ein Wettbewerbsnachteil für den ÖPNV.
Im übrigen sprechen sich alle Parteien irgendwann oder irgendwo gegen Investitionen in Infrastruktur aus, jedoch jede an anderer Stelle.
Da inzwischen die Anzahl der PKW ihren Höhepunkt erreicht oder überschritten hat, braucht keiner diese Autobahn mehr, wenn sie irgendwann fertig ist.
Wenn unbedingt, dann als Tieftunnel (Schildvortrieb) bauen und nicht die Stadt verschandeln!

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