Blackpool - eine Ära geht zu Ende

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Sithis
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Blackpool - eine Ära geht zu Ende

Beitrag von Sithis »

Es war schon länger angekündigt, nun hat man es wahrgemacht: Der traditionelle Straßenbahnbetrieb in Blackpool endete am 6. November. Noch einmal gingen die charakteristischen Fahrzeuge in den Linienverkehr, um ihren letzten Tag im im normalen Planeinsatz zu vollbringen.
Nun wird das Straßenbahnnetz bis Ostern 2012 nicht bedient, da man es für den Einsatz der neuen Flexity2-Bahnen herrichtet.
Die alten Fahrzeuge werden künftig nur noch an 18(!) Tagen im Jahr verkehren, während der Tourismus-Saison, und dann auch nur modernisierte Fahrzeuge...

Mir stellt sich die Frage, welchen Sinn die Modernisierung des Netzes hat. Sicher mag es den Verkehrswert erhöhen, den Linienverlauf zu beschleunigen(es fallen Haltestellen weg) und Niederflurfahrzeuge einzusetzen, andererseits stellt sich mir die Frage, ob dies notwendig ist, bislang schien das Netz mit seinen Fahrzeugen hauptsächlich als touristische Attraktion zu dienen.

Immerhin scheinen viele der Fahrzeuge nicht auf den Schrott zu müssen, da sich viele private Käufer und auch Museen gefunden haben, die welche übernehmen werden.
Trotzdem meine ich, daß man künftig Blackpool getrostet von der Liste bereisenswerter Betriebe streichen kann.

Impressionen vom Abschied findet man etliche bei Youtube, z.B. :

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Incentro
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Re: Blackpool - eine Ära geht zu Ende

Beitrag von Incentro »

Das ganze erinnert mich ein wenig an Lissabon, wo auf der Linie entlang des Flusses mit Niederflurwagen gefahren wird, die anderen vier Linien - größtenteils als Touristenattraktion - mit den modernisierten Zweiachsern.

In Blackpool war es wohl so, dass die alten Wagen mit sehr hohem Personalaufwand bewegt wurden: Auf einen Doppeldecker oder Doppel-Triebwagen kam 1 Fahrer und 2 Schaffner. Durch die Umstellung auf die Niederflurwagen wird jede Menge Personal "gespart" und die Fahrer für die Niederflurwagen erhalten neue Verträge (vermutlich mit "angepasstem" Gehalt). Dadurch ist noch nichteinmal sichergestellt, dass es überhaupt ausreichend Fahrer mit Fahrberechtigungen für die alten (dann modernisierten) Wagen geben wird.
Mit dem Einsatz der Niederflurwagen soll die derzeit noch parallel zur Straßenbahnstrecke verkehrende Buslinie (diese ist kein SEV) eingestellt werden.

Es besteht seitens Vereinen und Privatleuten ein großes Interesse an der Erhaltung der alten Blackpooler Fahrzeuge. Allerdings hat der Betreiber eine ziemlich knapp bemessene Deadline gesetzt, bis wann die Wagen abzutransportieren sind - angeblich will man die alte Straßenbahn-Wagenhalle (für die Niederflurwagen sowie die verbleibenden Altwagen wurde eine neue gebaut) als Abstellhalle für Linienbusse verwenden, die bislang unter freiem Himmel abgestellt waren.

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Sithis
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Re: Blackpool - eine Ära geht zu Ende

Beitrag von Sithis »

Na ja, ob man Lissabon und Blackpool vergleichen kann...in Lissabon haben die alten Wagen ja noch einen "echten" Verkehrswert und Niederflurwagen können auf den recht verwinkelten Strecken meistens gar nicht fahren, so daß man zum Glück nur eine Linie umgestellt hat.
In Blackpool kann man den Einsatz der historischen Wagen eher mit den paar Tourifahrten vergleichen, die auch in deutschen Städten mal als Stadtrundfahrt angeboten werden.
Ich meine, 18 Tage im Jahr Betrieb und dann auch nur mit modernisierten Balloons und Millenium-Wagen, die eine neue verbreiterte Tür(Außenschwenktür ist es wohl) haben, authentisch ist das alles überhaupt nicht mehr. Der klassische bunte Betrieb ist jedenfalls wohl für immer vorüber.
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Incentro
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Re: Blackpool - eine Ära geht zu Ende

Beitrag von Incentro »

Natürlich ist es für die Fans alter Straßenbahnen bedauerlich, dass der Betrieb mit den alten Wagen jetzt vorbei ist. Nur wer außer ein paar Fans kommt wegen den Straßenbahnen nach Blackpool?
Blackpool hat sich für eine moderne Niederflurstraßenbahn entschieden, mit der man Einheimische wie Touristen schnell und komfortabel von A nach B bringt - vergleichbar mit der Kusttram in Belgien.
Die geplanten Fahrtage der historischen Wagen sind dann in der Tat ein Zusatzangebot für Touristen. Warum man dafür allerdinge keine Original-Fahrzeuge verwenden kann? Vermutlich liegt das einerseits an den unterschiedlichen Fahrzeugbreiten und daran, dass man für die Nostalgiefahrten die zwischen den Regelkursen mit Nf-Wagen laufen sollen Automatiktüren braucht, um den Fahrplan halten zu können.

Zu Lissabon: Natürlich sind die Betriebe nicht vergleichbar. In Lissabon ist es auf Grund der Steigungen nahezu unmöglich die Linien auf Niederflurfahrzeuge umzustellen. Die Electrico wird aber in jedem Reiseführer erwähnt (eine Fahrt mit der Linie 28 gilt als Pflicht für jeden Touristen) und mitlerweile wurden 6 der 45 Remodelados für die Stadtrundfahrt (rote Lackierung) umgebaut, die in den vergangenen Jahren immer beliebter wurde. Die Straßenbahn von Lissabon hat also einen festen Platz in der Liste der Sehenswürdigkeiten. Das ist mir so aus Blackpool nicht bekannt.

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Sithis
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Re: Blackpool - eine Ära geht zu Ende

Beitrag von Sithis »

Nur wer außer ein paar Fans kommt wegen den Straßenbahnen nach Blackpool?
Gut, mag sein, daß die Bahn zuletzt hauptsächlich eine Fan-Attraktion war, angeblich sollen viele Leute ja auch auf die parallel fahrenden Busse umgestiegen sein. Dann hätte man sie aber besser vermarkten sollen - ist ja nicht so, daß die Fahrzeuge nicht in die Attraktionen mit eingebunden sind, siehe Illumination mit diversen entsprechend gestalteten Fahrzeugen. Die Londoner Routemaster gelten ja auch als Wahrzeichen, obwohl diese auch hauptsächlich dazu dienten, von A nach B zu kommen, nun hat man für die Touristen einen Nostalgie-Verkehr eingerichtet, besser als nichts, wenn auch nur noch ein Surrogat alter Tage.
Blackpool hat sich für eine moderne Niederflurstraßenbahn entschieden, mit der man Einheimische wie Touristen schnell und komfortabel von A nach B bringt - vergleichbar mit der Kusttram in Belgien.
Die Entscheidung mag ja unter dem Aspekt nachvollziehbar sein, man hätte aber auch einen anderen Mischverkehr gestalten können. Wozu man nun 2,65m breite Fahrzeuge benötigt, ist mir ein Rätsel.
Vermutlich liegt das einerseits an den unterschiedlichen Fahrzeugbreiten und daran, dass man für die Nostalgiefahrten die zwischen den Regelkursen mit Nf-Wagen laufen sollen Automatiktüren braucht, um den Fahrplan halten zu können.
Gut, das mag sein, aber die bisher verwendeten Fahrzeuge hatten auch schon automatische Türen(bei den Balloon weiß ich es allerdings nicht, was die für Türen haben). Der Fahrgastwechsel scheint ja in Großbritannien sowieso eine eher gemächliche Angelegenheit zu sein - auch die neuen Flexitys haben nur zwei breite und zwei schmale Türen.
Das ist mir so aus Blackpool nicht bekannt.
Dann hätte man die Gelegenheit nutzen sollen, die Bahn entsprechend zu vermarkten. Immerhin ist es nur eines von drei Netzen mit Doppelstock-Straßenbahnen auf der Welt und von oben läßt sich die Stadt nun mal besser besichtigen - gibt ja auch einige Fahrzeuge mit offenem Oberdeck.

Ob sich das neue Konzept rechnen wird, wird sich ja zeigen.
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