Seite 1 von 1

Einsatzzeitraum der Straßenbahnfahrzeuge in Deutschland

Verfasst: 01.11.2021 12:45
von MM614
Hallo zusammen,

ich bin Student an der Universität Stuttgart und muss im Rahmen meiner Studienarbeit den Einsatzzeitraum von Straßenbahnen konkretisieren. Mir ist aufgefallen das die Fahrzeuge teilweise sehr lange schon in Betrieb sind (bis zu 35 Jahre), gibt es Regeln nach welcher Zeit diese ausgemustert werden müssen oder liegt das immer im Ermessen der staatlichen Förderung? Ich wollte hier mal nach unterstützenden Unterlagen o.Ä. fragen.
Vielen Dank im Voraus

Gruß
Milos

Re: Einsatzzeitraum der Straßenbahnfahrzeuge in Deutschland

Verfasst: 01.11.2021 15:10
von Manitou
Soweit ein Fahrzeug die Hauptuntersuchung besteht, gibt es keine Altergrenze. Fahrzeuge der Berliner U-Bahn (nach BO Strab betrieben) sind z.T. sogar über 50 Jahre in Betrieb.

Re: Einsatzzeitraum der Straßenbahnfahrzeuge in Deutschland

Verfasst: 01.11.2021 18:44
von Baertram
Wir in Darmstadt hatten 1913 15 Triebwagen und 10 Beiwagen erhalten. Sie standen bis 1965 - 1970 im Dienst. Also rund 52 bis 57 Jahre.
Das hat Manitou auch schon mitgeteilt.
Das Problem ist unter anderem auch die heutige Verarbeitung und, schlimmer noch, die Ersatzteilbeschaffung. Zum Teil kriegst Du nach wenigen Jahren bereits keine Brocken mehr. Gutes Beispiel ist auch hier Darmstadt: Von ST 6 (Baujahr 1954) bis ST 12 (Baujahr 1991) hatten alle Triebwagen die gleichen Frontscheinwerfer (Ausnahme ST-9-Tw 62): eckige Scheinwerfer, die an LKW erinnern. Die runden (Originale für die ST 6 bis 9 - Baujahre 1954 bis 1963) zu erhalten in den 1980ern - keine Chance.
Im Allgemeinen gilt ein Straßenbahn-Zug nach rund 25 bis 30 Jahren als (kaufmännich) abgeschrieben.
Obendrauf gilt ja auch der Wunsch des Bestellers (Verkehrverbünde): Diese wollen keine alten Fahrzeuge auf den von ihnen bestellten Linien sehen.

Re: Einsatzzeitraum der Straßenbahnfahrzeuge in Deutschland

Verfasst: 01.11.2021 20:15
von Sithis
Es wäre da wahrscheinlich besser, bei konkreten Verkehrsbetrieben und eventuell Vereinen anzufragen. In der Regel sollten diese die nötigen Dokumentationen dazu haben.
Dieses Forum ist vornehmlich ein Hobbyforum, und nicht zwangsläufig eine Anlaufstelle für solche mehr oder weniger offiziellen Anliegen.
Nur als freundlicher Hinweis, weil es in der Vergangenheit schon öfters solche Fragen gab, die dann jedoch in der Regel offenbar nicht zufriedenstellend beantwortet werden konnten.
Man kann nämlich nicht so allgemein sagen, wie lange irgendein Fahrzeug im Einsatz stehen soll. Für eine Studienarbeit wären als Quellen offizielle Dokumente sicher die bessere Wahl als Forenbeiträge, davon gehe ich mal stark aus.
Grundsätzlich gilt:
Mit Anlieferung beginnt die erste "Zulassungs"-Frist, die in der Regel acht Jahre beträgt(oder 500.000km, je nachdem, was eher erreicht wird).
Danach erfolgt die erste Hauptuntersuchung(HU), die dann nochmals weitere acht Jahre gültig ist.
Und dann immer so weiter, je nachdem, wie gut die Substanz ist, und wie lange sich ein wirtschaftlicher Betrieb rentiert.
Grob über den Daumen gepeilt geht man in der Regel von 32-40 Jahren aus, also 4 oder 5 HU-Perioden.
Bei guter Substanz oder auch Alternativlosigkeit mangels Geld für Neufahrzeuge muß man oft zwangsläufig eben auch auf längere Einsatzzeiten setzen.
Halberstadt z.B. blieb da nichts anderes übrig, als seine GT4 aus den 60er Jahren im September 2020 nochmal mit einer Hauptuntersuchung zu versehen, wegen des zeitweiligen unfallbedingten Ausfalls von zwei Niederflurwagen.

Ist die Substanz schlecht und/oder eine Reparatur unwirtschaftlich, kann auch eine frühere Ausmusterung erfolgen. Ein Beispiel dafür ist Bochum-Gelsenkirchen, wo man sich in den letzten Jahren wegen Rißbildung von den MGT6D trennte, die nach Polen verkauft wurden. Wobei diese als Niederflurbahnen der ersten Generationen auch schon ungefähr in den letzten Jahren der sinnvollen Nutzungsdauer angekommen waren.
Hinsichtlich der ersten Niederflurgenerationen sind die Betriebe sowieso zwiespältig. Manche modernisieren sie bei guter Substanz für weitere Jahre, andere wiederum verkaufen sie, oder planen einen Ersatz in den nächsten Jahren. Bei Unfällen ist man ohnehin schon dazu übergegangen, das Prinzip "aus zwei mach eins" zu verfolgen, da sich selbst für manche 15 Jahre alte Bahn ein Neuaufbau nicht mehr gelohnt hat(wenn der Hersteller nicht mehr existiert oder keine Teile mehr liefern möchte, muß man das ohnehin machen).

Re: Einsatzzeitraum der Straßenbahnfahrzeuge in Deutschland

Verfasst: 04.11.2021 09:39
von Tobias Walter
Wenn man die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt/ -raum x betrachtet, fällt schon auf, das Fahrzeuge länger im Betrieb waren als zu Zeiten wo es besser stand.

Abgesehen von ganz individuellen Eigenheiten der Betriebe selbst... .

Da gibt es so viele Faktoren und und und... .

Zu mal die VB MA und Dokumente haben (sollten).

Re: Einsatzzeitraum der Straßenbahnfahrzeuge in Deutschland

Verfasst: 19.11.2021 20:19
von Zoni01
Tobias Walter hat geschrieben: 04.11.2021 09:39 Wenn man die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt/ -raum x betrachtet, fällt schon auf, das Fahrzeuge länger im Betrieb waren als zu Zeiten wo es besser stand.
Wie lange sind den die Einsatzzeiten dafür vorgeschrieben? Normalerweise sollten doch Schienenfahrzeuge um die 30 Jahre im Einsatz sein. Wegen Wirtschaftlichkeit bei Neuanschaffungen. Die Verkehrsbetriebe haben wohl auch ihren eigenen TÜV? Sprich Sie können entscheiden wie lange ein Schienenfahrzeug fahren kann und soll. Nehmen wir jetzt mal HSB-Harzer-Schmalspur-Bahn. Dort fahren die ja seit Ewigkeiten gefühlt 70 Jahre rum. Dampfloks und Waggons stündlich durch Wernigerode und den Harz. Da werden wohl nie Waggons oder Dampfloks ausgemustert werden, bei der HSB in Wernigerode. In der heutigen Modernen Zeit müssten dort schon neue Wasserstoffzüge zum Brocken hochfahren. Und keine Waggons oder Dampfloks welche gefühlt über 70 Jahre alt sind.

Re: Einsatzzeitraum der Straßenbahnfahrzeuge in Deutschland

Verfasst: 20.11.2021 00:03
von Sithis
Da werden wohl nie Waggons oder Dampfloks ausgemustert werden, bei der HSB in Wernigerode. In der heutigen Modernen Zeit müssten dort schon neue Wasserstoffzüge zum Brocken hochfahren. Und keine Waggons oder Dampfloks welche gefühlt über 70 Jahre alt sind.
Das ist Magie vom Brocken, die erhält die Dampfloks :mrgreen: .

Re: Einsatzzeitraum der Straßenbahnfahrzeuge in Deutschland

Verfasst: 20.11.2021 20:18
von Tobias Walter
Wie lange ein Fahrzeug mindestens zu halten hat, ist nicht vorgeschrieben.

In Leipzig wurden Triebwagen 62 Jahre im Personenverkehr eingesetzt.
Und dann auch wieder nur wenige Jahre.

Alles ist möglich.

Re: Einsatzzeitraum der Straßenbahnfahrzeuge in Deutschland

Verfasst: 24.11.2021 17:39
von das Fauli
Zoni01 hat geschrieben: 19.11.2021 20:19 Nehmen wir jetzt mal HSB-Harzer-Schmalspur-Bahn. Dort fahren die ja seit Ewigkeiten gefühlt 70 Jahre rum.
Die ältesten Mallets sind wesentlich älter. Die erste wurde schon 1897 gebaut. Zum Ausrechnen des Alters bin ich aber zu faul. :D
Zoni01 hat geschrieben: 19.11.2021 20:19 In der heutigen Modernen Zeit müssten dort schon neue Wasserstoffzüge zum Brocken hochfahren.
Die Stadtwerke Nordhausen haben ja in Nordhausen 3 Combino Duo im Betrieb, die sowohl auf dem Straßenbahnnetz in Nordhauen als auch auf dem Netz der Harzquerbahn (zumindest auf einem Stück bis zur Klinik in Ilfeld) fahren. Die haben sogar einen Niederflurteil in der Mitte.

Gruß

Fauli

Re: Einsatzzeitraum der Straßenbahnfahrzeuge in Deutschland

Verfasst: 25.11.2021 11:46
von M73
Desto ausgefallener bzw. Überschaubarer das Netz bzw. wenn nur ein einziger Abschnitt betreut wird, kommt es schnell zu längeren Nutzungszeiten.
Dieses kann aber nicht als Standard angesehen werden. Gerade bei entsprechenden Fahrzeugzahlen wird eine Reparatur gegenüber einer Neubeschaffung irgendwann unwirtschaftlich.
Neuere Fahrzeuge werden es zudem schwerer haben, entsprechend überlange Betriebsjahre aufzuweisen, da die Moderne Technik so kurzlebig ist, daß es schon nach 5 Jahren mit bestimmten Ersatzteilen schwierig wird. Dagegen die Elektromechanik der Wagen bis etwa 1980ger sind so "Elektronikbefreit", daß die Wagen wahrscheinlich in 100 Jahren auch noch mit einem "Hufschmied" wieder flott gemacht werden können; ich denke da zum Beispiel an die P-Wagen in München...

Allgemein setzte ich jetzt mal zw. 20 und 40 Jahre als "normal" realistischen Wert an...

Re: Einsatzzeitraum der Straßenbahnfahrzeuge in Deutschland

Verfasst: 25.11.2021 19:24
von Sithis
Dagegen die Elektromechanik der Wagen bis etwa 1980ger sind so "Elektronikbefreit", daß die Wagen wahrscheinlich in 100 Jahren auch noch mit einem "Hufschmied" wieder flott gemacht werden können; ich denke da zum Beispiel an die P-Wagen in München...
Dann vergiß aber mal nicht, daß das oft eher die Ausnahme war. Gerade manchen Fahrzeugen der 70er und 80er hat der Mangel an Elektronik-Ersatzteilen den Garaus beschert. Z.B. die A3L82 der Berliner U-Bahn - da war vorzeitig Schluß, obwohl sie technisch eigentlich "nur" modernere A3L71 sind(für die jetzt auch Schicht im Schacht ist). Noch früher mußten die F79.3 gehen, die ersten Drehstrom-Versuchszüge.
Auch im eigentlichen Straßenbahnbereich sind manche Exoten ja recht schnell aus dem Liniendienst verschwunden.
Und auch alte einfache Technik ist nicht immer ein Garant für wirkliche Betriebsbereitschaft - auch so mancher 50er Jahre "Exot" ist nur noch Standobjekt, z.B. die West-Berliner Neubaufahrzeuge.

Einen Wagen mit prinziphafter Technik aus den 20ern wird man sicher rein theoretisch fast ewig fahren lassen können - natürlich eben auch mit allen Sachen, die diese Simplizität mit sich bringt. Was nicht da ist, kann nicht kaputtgehen.

Re: Einsatzzeitraum der Straßenbahnfahrzeuge in Deutschland

Verfasst: 30.11.2021 10:33
von M73
Gut - verallgemeinern kann man das sicher nicht.
Noch früher mußten die F79.3 gehen, die ersten Drehstrom-Versuchszüge.
Da haben's wir schon - Drehstrom - also Umrichter, ein elektronische Bauteil - und schon ist so ein Fahrzeug nur begrenzt in der weiteren Zukunft einsetzbar, da Ersatzteile all zu schnell nicht mehr zu bekommen sind und die Kosten für eine Nachfertigung jenseits von Gut und Böse sind und sich meistens keiner dran traut, weil keiner so recht weiß, was sich alles anders Verhalten könnte - dagegen ein Fahrschalter von M oder P-Wagen besteht ausschließlich aus Elektromechanik und kann, wenn auch da die Kosten sicherlich ein K.O.-Kriterium sein könnten, einfacher wieder instandgesetzt/nachgebaut werden...

Bei Exoten, die eher mal überlange Betriebsjahre haben, dachte ich jetzt eigentlich an exotische Strecken-Systeme, die eben absolut keinen Wagen aus dem Katalog vertragen...