Wien - Type Z (ex New York)

Rund um das Thema historische Straßenbahnfahrzeuge und Museumsstraßenbahnen
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WienerLinien
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Wien - Type Z (ex New York)

Beitrag von WienerLinien »

1939 bestellte das "Third Avenue Transit System" (TATS) die letzten Neuwagen für den Betrieb der New Yorker Straßenbahnlinien. Die Wagen bekamen die Nummern 626 bis 685 und fuhren in Manhattan, der Bronx und auf der Crosstown-Line.
Der damalige Bürgermeister setzte sich dafür ein, dass die Straßenbahn eingestellt wurde, da diese den (damals in Amerika schon recht starken) Autoverkehr behindern würde und zudem eine zu geringe Kapazität hatte.
1942 wurde begonnen, die Straßenbahnlinien einzustellen.

In Wien war die Situation hingegen ziemlich angespannt. Durch schlechte Wartung bzw. dauernden Einsatz gab es viele Wagenausfälle, viele Wagen waren auch durch Bombentreffer zerstört oder zumindest nicht einsatzfähig geworden. Dem gegenüber stand die enorme Zahl an Fahrgästen, die 1942 täglich mit der Straßenbahn zu befördern waren. Unwichtige oder zerstörte Strecken wurden nicht oder nur über große Umwege befahren.
Bis 1945 verschärfte sich die Lage noch mehr, da immer weniger Wagen den harten Anforderungen gerecht werden konnten. Auch die mittlerweile gelieferten 25 Kriegsstraßenbahnwagen (KSW) aus Heidelberg konnten den Bedarf an Straßenbahnfahrzeugen nicht decken, da sie ohne elektrische Ausrüstung geliefert wurden und durch die Not der Kriegszeit die benötigte Ausrüstung auch nicht zu bekommen war.

Nachdem Wien von den Allierten befreit worden war, zeigte sich die traurige Bilanz: rund 90% des gesamten Fuhrparks war zerstört oder unbrauchbar.
Bis 1946 war das Netz nahezu vollständig wieder aufgebaut.
Schnell wurden die Wagen - den damaligen Umständen entsprechend - repariert und betriebsfähig gemacht. Triebwagen, deren Wagenkästen zerstört waren, deren Untergestelle jedoch noch brauchbar waren, wurden mit neuen Wagenkästen versehen. Neubaufahrzeuge gab es erst 1954. Die KSW wurden komplettiert und bis 1949 als Type A dem Betrieb übergeben.

Alle diese Maßnahmen konnten jedoch nur bedingt dem enormen Wagenmangel entgegenwirken. Als Notlösung schlug das US-Militär den Kauf von Wagen der 1946 aufgelassenen New Yorker Straßenbahn vor.
1948 wurden 42 Triebwagen für den Betrieb und 2 Ersatzteilspender angekauft. Die im Rahmen des Marshall-Planes nach Wien gekommenen Wagen waren damals extrem billig, die Kosten für den Transport zahlten die USA.
Die Triebwagen wurden bis Rotterdam auf dem Wasserweg, von dort per Bahn nach Wien gebracht. Die Wagen erreichten Wien im Zeitraum Februar bis September 1949.
Die Wagen erhielten die Betriebsnummern 4201 bis 4242 und die Typenbezeichnung Z. Sie hatten ein großes Platzangebot (46 Sitzplätze, 47 Stehplätze) und gepolsterte, in die Fahrtrichung umstellbare Sitze.
Die Z wurden von Gräf&Stift an die Wiener Verhältnisse angepasst und geringfügig modernisiert, wobei sie z.B. Zweisicht-Dachsignale und einen Scherenstromabnehmer bekamen.
Sie hatten vier Tatzlagermotoren á 30kW, eine Handbremse und eine indirekte Druckluftbremse auf Klötze wirkend, die weniger Kraft als Gefühl bei der Betätigung erforderte. Zusätzlich erhielten die Wagen eine Kurzschlussbremse. Sie waren 13m lang, hatten einen Drehzapfenabstand von 6,5m und einen Drehgestellachsstand von 1,6m sowie ein Gewicht vvon 17,5t.
Ein großer Nachteil der "Amerikaner" war ihre Überbreite, die Unmöglichkeit des Beiwagenbetriebes sowie das Fehlen von Magnetschienenbremsen.

Am 13.März 1950 waren die Wagen dann im Linienbetrieb eingesetzt, Die erste Fahrt der "Amerikaner" in Wien (Linie 31) fand mit großer Anteilnahme der Bevölkerung, die die Triebwagen mit Fahrrädern begleitete, statt.

Durch ihre div. Nachteile konnten die Wagen nicht freizügig im Wiener Straßenbahnnetz eingesetzt werden. In Doppelgleisbögen wurde ein Kreuzungsverbot für diese Type erlassen.
In der Folge kam die Type Z auf den damals nahezu ausschließlich eingleisigen Straßenbahnlinien 32, 132, 31, 231, 331, 17 und 217 zum Einsatz. Ab 1964 kamen die Z auch auf der eingleisigen Linie 11 zum Einsatz.
Die Triebwagen waren beim Personal trotz ihrer komplizierten technischen Einrichtung sehr beliebt.

Der letzte Betriebstag der Type Z war der 5.September 1969. (Zum Vergleich: Type K: Baujahr 1912; Betrieb bis 1972; Type M: Baujahr 1927, Betrieb bis 1978)

Die Wagen wurden verschrottet, einige kamen in Museen (USA, GB, A)
Der Wagen 4208, der in New York die Betriebsnummer 679 trug, ist seit dem 5.9.1969 im Museumswagenstand des Wiener Straßenbahnmuseums.

Bilder:

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Typenplan Wien

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Wagen 194 in New York

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Wage 631 in New York

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M 4125 schiebt den soeben abgeladenen Triebwagen auf das 2.Streckengleis der Linie 360 in Rodaun, wo die Wagen kurzzeitig abgestellt wurden.

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Die 1.Fahrt der Type Z in Wien

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Z 4202 in Linie 132 auf dem Friedrich-Engels-Platz vor der Kulisse zerstörter Wohngebäude

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Z 4207 in der Oberen Donaustraße vor einem der beiden Flaktürme im Augarten.

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Ein floridsdorfer 217er (mit Z 4236) kreuzt einen kagraner 317er nach Groß-Enzersdorf (mit K 2530 und m3). Ausweiche Pogrelzstraße.

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Nochmals Linie 217 mit Z 4238

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Die alte Endstelle Eßlinggasse der Linie 331 mit einem Z-Triebwagen.

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Linie 11 in der Engerthstraße.

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Der Z 4208 des Wiener Straßenbahnmuseums.
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Sithis
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Beitrag von Sithis »

Hatten die Wagen schon automatisch schließende Türen?
Zynismus ist der geglückte Versuch, die Welt zu sehen, wie sie wirklich ist. - Jean Genet

Thomas
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Beitrag von Thomas »

:lol: :lol: :lol: Danke für die wunderbaren Berichte!!! :lol: :lol: :lol:

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WienerLinien
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Beitrag von WienerLinien »

Sithis hat geschrieben:Hatten die Wagen schon automatisch schließende Türen?
Nein. Der Schaffner betätigte die Türen händisch und musste sie wieder schließen. Die Wagen hatten auch keinen fixen Schaffnerplatz (dieser stand meist auf der hinteren Plattform) und eine Abfertigungsklingel.
Thomas hat geschrieben::lol: :lol: :lol: Danke für die wunderbaren Berichte!!! :lol: :lol: :lol:
Mach ich doch gerne. :D
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Manitou
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Re: Wien - Type Z (ex New York)

Beitrag von Manitou »

Weshalb war kein Beiwagen-Betrieb möglich? Waren die Wagen zu schwer?
Wenn man in Schöneiche mit 2x60 kW einen Vierachserzug fahren konnte, müßte dies auch mit 4x30 kW gehen. Und bei der Druckluftbremse müßte ggf. nur eine Schlauchkupplung nachgerüstet werden.

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koneggS
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Re: Wien - Type Z (ex New York)

Beitrag von koneggS »

DAs ist eine Milchmädchenrechnung. Es kommt nicht nur auf die Motorleistung an, sondern auch auf die Getriebeübersetzung und den Wirkungsgrad des Motors (Es geht immer Kraft duch Reibung, Getriebe usw. verloren)
Und der Triebwagen benötigt noch die passende Ausrüstung, um den BEiwagen steuern zu können.

Manitou
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Beiwagen "steuern"

Beitrag von Manitou »

Um einen Beiwagen zu "steuern" benötigte man bei alten Straßenbahnwagen (Kurbel- / Schaltrad-Fahrschalter):
- Schlauchverbindung für die Druckluftbremse oder
- Kabel zum Ansteuern der Solenidbremse
- Kabel für Innenbeleuchtung (wenn der Beiwagen den Strom nicht über Lichtmaschine erzeugt)
- Kabel für Blink-, Brems- und Rücklicht.
- Kabel für die Heizung (sofern nicht Heizung und Innenbeleuchtung über das selbe Kabel versorgt werden)

Da der Typ Z eine Druckluftbremse hatte, hätte also lediglich eine Luftbremsleitung und (falls damals schon vorgeschrieben) die Kabel für Blink-, Brems- und Rücklichter eingebaut werden müssen.
Auf die Heiz- und Lichtleitung hätte man verzichten können, wenn der Beiwagenbetrieb auf den Sommer beschränkt geblieben wäre. Das Ein- und Ausschalten von Innenbeleuchtung und Heizung kann im Beiwagen geschehen (besonders, wenn man mit Schaffner fährt).

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Sithis
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Re: Wien - Type Z (ex New York)

Beitrag von Sithis »

Nein. Der Schaffner betätigte die Türen händisch und musste sie wieder schließen. Die Wagen hatten auch keinen fixen Schaffnerplatz (dieser stand meist auf der hinteren Plattform) und eine Abfertigungsklingel.
Ich meinte jetzt ja auch, ob der Schaffner die Türen per Hand zumachte oder mit einem Druckknopf, der sie per Druckluft oder elektrisch schloß. Da es ja scheinbar Falttüren sind, wäre es ja möglich, daß sie Antriebe haben.
Zynismus ist der geglückte Versuch, die Welt zu sehen, wie sie wirklich ist. - Jean Genet

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koneggS
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Re: Wien - Type Z (ex New York)

Beitrag von koneggS »

Den Wirkungsgrad des Motors hast du nicht bedacht. Wie viel Leistung kann auf die Schine übertragen werden? Ist der Wagen eher für schnelle GEschwindigkeiten gedacht?
Sollte der Wagen nicht für schnelle Geschwindigkeiten gedacht sein und relativ viel Kraft auf die Gleise bringen, fände ich es natürlich auch komisch, warum keine BEiwagen dran hingen. Ein möglicher Grund wäre der Einsatz auf eingleisigen Außenstrecken, durch die Wagenkastenbreite bedingt, auf denen keine Beiwagen nötig waren....Oder genügend andere Fahrzeuge die für Beiwagenbetrieb gereicht haben...

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WienerLinien
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Re: Beiwagen "steuern"

Beitrag von WienerLinien »

Manitou hat geschrieben:Weshalb war kein Beiwagen-Betrieb möglich? Waren die Wagen zu schwer?
Wenn man in Schöneiche mit 2x60 kW einen Vierachserzug fahren konnte, müßte dies auch mit 4x30 kW gehen. Und bei der Druckluftbremse müßte ggf. nur eine Schlauchkupplung nachgerüstet werden.

Das stimmt schon alles.

Der Beiwagenbetrieb war unmöglich, weil
a) Straßenbahn-Trompetenkupplungen (in Wien gebräuchlich) fehlten (siehe Bilder) und
b) diese nur sehr kompliziert zum einbauen waren, weshalb der Einbau unterblieb und
c) deshalb auch keine Bremssteckdosen, etc, eingebaut wurden

In weiterer Folge verkehrten die Wagen nur solo.
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Sithis
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Re: Wien - Type Z (ex New York)

Beitrag von Sithis »

Möp!
Sithis hat geschrieben:
Nein. Der Schaffner betätigte die Türen händisch und musste sie wieder schließen. Die Wagen hatten auch keinen fixen Schaffnerplatz (dieser stand meist auf der hinteren Plattform) und eine Abfertigungsklingel.
Ich meinte jetzt ja auch, ob der Schaffner die Türen per Hand zumachte oder mit einem Druckknopf, der sie per Druckluft oder elektrisch schloß. Da es ja scheinbar Falttüren sind, wäre es ja möglich, daß sie Antriebe haben.
Zynismus ist der geglückte Versuch, die Welt zu sehen, wie sie wirklich ist. - Jean Genet

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Re: Wien - Type Z (ex New York)

Beitrag von WienerLinien »

Sithis hat geschrieben:Möp!
Sithis hat geschrieben:
Nein. Der Schaffner betätigte die Türen händisch und musste sie wieder schließen. Die Wagen hatten auch keinen fixen Schaffnerplatz (dieser stand meist auf der hinteren Plattform) und eine Abfertigungsklingel.
Ich meinte jetzt ja auch, ob der Schaffner die Türen per Hand zumachte oder mit einem Druckknopf, der sie per Druckluft oder elektrisch schloß. Da es ja scheinbar Falttüren sind, wäre es ja möglich, daß sie Antriebe haben.
Ob die elektrisch (mit Motor) aufgingen oder mechanisch (mit Hand) weiß ich nicht. Druckluft hatten sie auf jeden Fall nicht. Und ja, es sind Falttüren.
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