Westwaggon - ein kurzes Portrait
Verfasst: 24.01.2008 13:50
Da in der Diskussion um die Mainzer M-Wagen die Firma Westwaggon Interesse geweckt hat, möchte ich sie in diesem Beitrag kurz vorstellen.
Die in Köln ansässige Firma Westwaggon versuchte neben mehreren anderen Herstellern in den 50er und frühen 60er Jahren, sich beim Bau von Straßenbahnwagen gegen die Konkurrenz aus Düsseldorf zu behaupten. Der große Erfolg sollte diesem Unternehmen aber verwehrt bleiben und so endete die Produktion von Straßenbahnen schon bald mit der Eingliederung des Konzerns in die Firma Klöckner-Humboldt-Deutz, die sich im Bau von LKW- und Busmotoren einen Namen gemacht hatte.
Ursprünglich geht die Geschichte des Herstellers in das Jahr 1845 zurück, als sich das Waggonbauunternehmen van der Zypen & Charlier in Köln-Deutz niederließ. Deren große Erfolge bestanden in erster Linie im Bau der ersten Berliner U-Bahnwagen (1902) sowie der ersten Hamburger S-Bahnwagen (DRG Br ET99, 1906). In der Folge übernahm das Unternehmen mehrere Wettbewerber, so unter anderem auch die Waggonbaufirma der Gebr. Gastell in Mainz. Die Produktion wurde fortan auf Köln und Mainz konzentriert, andere Produktionsstätten wurden aufgegeben. Noch vor dem 2. Weltkrieg machte die Firma nunmehr unter dem Namen Westwaggon mit der Konzeption eines Lenkdreiachsers auf sich aufmerksam.
Der Krieg machte zunächst alle Erfolge wieder zunichte, jedoch gaben die enormen kriegsbedingten Verluste im Wagenpark der Kölner Straßenbahn dem Hersteller nach 1945 schnell Aufwind.
Die wohl prägnanteste Wagengattung aus dieser Zeit sind die Mitteleinstiegswagen der Kölner Vorortbahnen, die als fest gekuppelte Trieb-Steuerwageneinheit ausgebildet richtungweisend für späteren Bau von Stadtbahnwagen waren. Insgesamt 28 Doppelwagen dieses Typs lieferte Westwaggon von 1953 bis 1955 nach Köln, ein Exemplar wurde 1954 nach Bonn ausgeliefert, wobei es sich hier um einen Doppeltriebwagen handelte. Beide Betriebe beschafften später noch Fahrzeuge anderer Hersteller, die diesem Konzept folgten. In Bonn endete der Einsatz dieser Züge in den 70er Jahren, während sie in Köln bereits Ende der 60er Jahre nicht mehr so recht in das neue Stadtbahnkonzept passen mochten. Bis heute haben wenige Wagen als Betriebsreserve der Eisenbahngesellschaft LiLo in Linz überlebt.
Ab 1956 erhielt die KVB eine Serie von nicht weniger als 80 vierachsigen Großraumtriebwagen von Westwaggon, die, anders als ihre Konkurrenten von der Düwag, nicht für Beiwagen- sondern nur für Traktionsbetrieb ausgelegt waren. Diese Wagen, in Köln als Baureihe 1300 bezeichnet, erwiesen sich allerdings als sehr störanfällig und so war ihr großes Refugium bald die Betriebsreserve. Bereits 1984 war der Einsatz der 1300er im Liniendienst Geschichte.
Auch im Bau sechsachsiger Gelenkwagen versuchte Westwaggon, eine Stellung im Wettbewerb einzunehmen. Mainz erhielt 1958-1961 sieben derartige Triebwagen aus lokaler Produktion, die noch heute in Elblag fahren. Darüber hinaus konnte sich der GT6 aus Mainz aber nicht behaupten und blieb so eine Ausnahmeerscheinung.
Recht exotische Fahrzeuge, die optisch den Mainzer GT6 recht ähnlich waren, lieferte Westwaggon in einer Serie von sechs Wagen 1960 nach Remscheid.
Hierbei handelte es sich um vierachsige, zweiteilige Gelenkwagen in Zweirichtungsausführung, wobei der vordere Wagenteil auf zwei Achsen in einem starren Fahrwerk stand, während den Nachläufer ein zweiachsiges Drehgestell abstützte. Das Drehgestell war dabei angetrieben, nicht aber elektrisch gebremst. Der Einsatz auf den Steilstrecken im Bergischen Land bedingte diese eigenwillige Konstruktion. So fuhr bei Bergfahrt der Nachläufer voraus, der Drehgestellantrieb entlastete dabei den stärkeren hinteren Motor, der den Wagen den Berg hinaufschob. Eine Abbremsung des Nachläufers war daher nicht erforderlich. Bei Talfahrt bremsten die nun vorne liegenden Achsen des starren Fahrwerks den Wagen ab, während der Antrieb im hinteren Drehgestell ein „Strecken“ des Wagens beim Fahren und damit auch ein „Auflaufen“ des Nachläufers beim Bremsen verhinderte.
Nach Stillegung der Straßenbahn in Remscheid kamen die Wagen nach – na ratet mal – Darmstadt, wo sie nur im Einrichtungsbetrieb und zudem seitenverkehrt, also mit dem Nachläufer voraus, eingesetzt wurden, wovon sich die Heag eine bessere Kurvengängigkeit versprach. Hierdurch ergab sich ein höchst eigenwilliges Fahrverhalten, denn beim Beschleunigen schob der stärker motorisierte A-Teil den vorauslaufenden B-Teil an, was zu heftigem Aufschaukeln desselben führte. Bald erhielten die Wagen deshalb in Darmstadt den Spitznahmen „Schaukel“. Da das Drehgestell nicht abgebremst war, wurde nur hinten gebremst. Der Nachläufer rollte dann zunächst weiter und wurde verzögert vom hinteren Teil „abgefangen“. Dabei streckte sich der ganze Wagen spür- und hörbar. Bei schlechtem Wetter schoß dann das Wasser in denRegenrinnen nach vorn und ergoß sich über die an der Haltestelle wartenden Fahrgäste. Nicht nur deshalb waren die in Darmstadt als ST9 bezeichneten Westwaggon-Wagen bei Fahrgästen und Personal gleichermaßen unbeliebt, trotzdem versahen sie immerhin bis 1991 ihren Dienst.
Allen Straßenbahnwagen von Westwaggon gemeinsam war die markante Frontpartie mit drei- bzw. fünfteiliger Panoramascheibe, deren seitliche Enden, anders als bei der Düwag, von oben her stark abgerundet sind. Darüber hinaus ist die Front stärker angeschrägt als bei Wagen aus Düsseldorfer Produktion. Obwohl diese Front auch an den 40 1959/60 nach Köln gelieferten GT6 zu finden ist, handelt es sich hierbei um Fahrzeuge von DWM Berlin.
Heute noch in Deutschland vorhanden sind in Köln fünf Großraumwagen, von denen drei als Museums- und zwei als Arbeitswagen dienen. In Mainz sind ein Dreiachser und ein GT6 museal erhalten. Ein Darmstädter ST9 hat bei den Bergischen Museumsbahnen Wuppertal eine neue Heimat gefunden, wo er in seinen ursprünglichen Remscheider Zustand zurückversetzt werden soll. Ein anderer Wagen befindet sich im inzwischen jämmerlichen Zustand noch am Rande Darmstadts, wo er der Feuerwehr als Übungsgerät dient. Da es sich hierbei um Gebrauchtfahrzeuge handelte, ist eine Aufnahme des ST9 in den historischen Wagenpark nicht vorgesehen.
Vor allem durch außergewöhnliche Konstruktionen machte Westwaggon also nach dem 2. Weltkrieg auf sich aufmerksam. Im Wettbewerb gegen den „Großen aus Düsseldorf“ konnte der Hersteller aber, wie so viele andere auch, letztendlich nicht bestehen.
Quellen:
Reuther, Axel: Album der Deutschen Straßenbahn- und Stadtbahnfahrzeuge. München 2005
Reuther, Axel: Kölns kurze Dicke. In: Straßenbahn Magazin 03/07. München 2007
Bünheim, Hermann. Burmeister, Jürgen: Bahnen und Busse rund um den Langen Ludwig. Düsseldorf 1997
Honold, Klaus: Erste Liebe Linie 5. Gudensberg 2006
http://www.strassenbahn-darmstadt.de
http://www.tram-info.de
http://www.wikipedia.de
Die in Köln ansässige Firma Westwaggon versuchte neben mehreren anderen Herstellern in den 50er und frühen 60er Jahren, sich beim Bau von Straßenbahnwagen gegen die Konkurrenz aus Düsseldorf zu behaupten. Der große Erfolg sollte diesem Unternehmen aber verwehrt bleiben und so endete die Produktion von Straßenbahnen schon bald mit der Eingliederung des Konzerns in die Firma Klöckner-Humboldt-Deutz, die sich im Bau von LKW- und Busmotoren einen Namen gemacht hatte.
Ursprünglich geht die Geschichte des Herstellers in das Jahr 1845 zurück, als sich das Waggonbauunternehmen van der Zypen & Charlier in Köln-Deutz niederließ. Deren große Erfolge bestanden in erster Linie im Bau der ersten Berliner U-Bahnwagen (1902) sowie der ersten Hamburger S-Bahnwagen (DRG Br ET99, 1906). In der Folge übernahm das Unternehmen mehrere Wettbewerber, so unter anderem auch die Waggonbaufirma der Gebr. Gastell in Mainz. Die Produktion wurde fortan auf Köln und Mainz konzentriert, andere Produktionsstätten wurden aufgegeben. Noch vor dem 2. Weltkrieg machte die Firma nunmehr unter dem Namen Westwaggon mit der Konzeption eines Lenkdreiachsers auf sich aufmerksam.
Der Krieg machte zunächst alle Erfolge wieder zunichte, jedoch gaben die enormen kriegsbedingten Verluste im Wagenpark der Kölner Straßenbahn dem Hersteller nach 1945 schnell Aufwind.
Die wohl prägnanteste Wagengattung aus dieser Zeit sind die Mitteleinstiegswagen der Kölner Vorortbahnen, die als fest gekuppelte Trieb-Steuerwageneinheit ausgebildet richtungweisend für späteren Bau von Stadtbahnwagen waren. Insgesamt 28 Doppelwagen dieses Typs lieferte Westwaggon von 1953 bis 1955 nach Köln, ein Exemplar wurde 1954 nach Bonn ausgeliefert, wobei es sich hier um einen Doppeltriebwagen handelte. Beide Betriebe beschafften später noch Fahrzeuge anderer Hersteller, die diesem Konzept folgten. In Bonn endete der Einsatz dieser Züge in den 70er Jahren, während sie in Köln bereits Ende der 60er Jahre nicht mehr so recht in das neue Stadtbahnkonzept passen mochten. Bis heute haben wenige Wagen als Betriebsreserve der Eisenbahngesellschaft LiLo in Linz überlebt.
Ab 1956 erhielt die KVB eine Serie von nicht weniger als 80 vierachsigen Großraumtriebwagen von Westwaggon, die, anders als ihre Konkurrenten von der Düwag, nicht für Beiwagen- sondern nur für Traktionsbetrieb ausgelegt waren. Diese Wagen, in Köln als Baureihe 1300 bezeichnet, erwiesen sich allerdings als sehr störanfällig und so war ihr großes Refugium bald die Betriebsreserve. Bereits 1984 war der Einsatz der 1300er im Liniendienst Geschichte.
Auch im Bau sechsachsiger Gelenkwagen versuchte Westwaggon, eine Stellung im Wettbewerb einzunehmen. Mainz erhielt 1958-1961 sieben derartige Triebwagen aus lokaler Produktion, die noch heute in Elblag fahren. Darüber hinaus konnte sich der GT6 aus Mainz aber nicht behaupten und blieb so eine Ausnahmeerscheinung.
Recht exotische Fahrzeuge, die optisch den Mainzer GT6 recht ähnlich waren, lieferte Westwaggon in einer Serie von sechs Wagen 1960 nach Remscheid.
Hierbei handelte es sich um vierachsige, zweiteilige Gelenkwagen in Zweirichtungsausführung, wobei der vordere Wagenteil auf zwei Achsen in einem starren Fahrwerk stand, während den Nachläufer ein zweiachsiges Drehgestell abstützte. Das Drehgestell war dabei angetrieben, nicht aber elektrisch gebremst. Der Einsatz auf den Steilstrecken im Bergischen Land bedingte diese eigenwillige Konstruktion. So fuhr bei Bergfahrt der Nachläufer voraus, der Drehgestellantrieb entlastete dabei den stärkeren hinteren Motor, der den Wagen den Berg hinaufschob. Eine Abbremsung des Nachläufers war daher nicht erforderlich. Bei Talfahrt bremsten die nun vorne liegenden Achsen des starren Fahrwerks den Wagen ab, während der Antrieb im hinteren Drehgestell ein „Strecken“ des Wagens beim Fahren und damit auch ein „Auflaufen“ des Nachläufers beim Bremsen verhinderte.
Nach Stillegung der Straßenbahn in Remscheid kamen die Wagen nach – na ratet mal – Darmstadt, wo sie nur im Einrichtungsbetrieb und zudem seitenverkehrt, also mit dem Nachläufer voraus, eingesetzt wurden, wovon sich die Heag eine bessere Kurvengängigkeit versprach. Hierdurch ergab sich ein höchst eigenwilliges Fahrverhalten, denn beim Beschleunigen schob der stärker motorisierte A-Teil den vorauslaufenden B-Teil an, was zu heftigem Aufschaukeln desselben führte. Bald erhielten die Wagen deshalb in Darmstadt den Spitznahmen „Schaukel“. Da das Drehgestell nicht abgebremst war, wurde nur hinten gebremst. Der Nachläufer rollte dann zunächst weiter und wurde verzögert vom hinteren Teil „abgefangen“. Dabei streckte sich der ganze Wagen spür- und hörbar. Bei schlechtem Wetter schoß dann das Wasser in denRegenrinnen nach vorn und ergoß sich über die an der Haltestelle wartenden Fahrgäste. Nicht nur deshalb waren die in Darmstadt als ST9 bezeichneten Westwaggon-Wagen bei Fahrgästen und Personal gleichermaßen unbeliebt, trotzdem versahen sie immerhin bis 1991 ihren Dienst.
Allen Straßenbahnwagen von Westwaggon gemeinsam war die markante Frontpartie mit drei- bzw. fünfteiliger Panoramascheibe, deren seitliche Enden, anders als bei der Düwag, von oben her stark abgerundet sind. Darüber hinaus ist die Front stärker angeschrägt als bei Wagen aus Düsseldorfer Produktion. Obwohl diese Front auch an den 40 1959/60 nach Köln gelieferten GT6 zu finden ist, handelt es sich hierbei um Fahrzeuge von DWM Berlin.
Heute noch in Deutschland vorhanden sind in Köln fünf Großraumwagen, von denen drei als Museums- und zwei als Arbeitswagen dienen. In Mainz sind ein Dreiachser und ein GT6 museal erhalten. Ein Darmstädter ST9 hat bei den Bergischen Museumsbahnen Wuppertal eine neue Heimat gefunden, wo er in seinen ursprünglichen Remscheider Zustand zurückversetzt werden soll. Ein anderer Wagen befindet sich im inzwischen jämmerlichen Zustand noch am Rande Darmstadts, wo er der Feuerwehr als Übungsgerät dient. Da es sich hierbei um Gebrauchtfahrzeuge handelte, ist eine Aufnahme des ST9 in den historischen Wagenpark nicht vorgesehen.
Vor allem durch außergewöhnliche Konstruktionen machte Westwaggon also nach dem 2. Weltkrieg auf sich aufmerksam. Im Wettbewerb gegen den „Großen aus Düsseldorf“ konnte der Hersteller aber, wie so viele andere auch, letztendlich nicht bestehen.
Quellen:
Reuther, Axel: Album der Deutschen Straßenbahn- und Stadtbahnfahrzeuge. München 2005
Reuther, Axel: Kölns kurze Dicke. In: Straßenbahn Magazin 03/07. München 2007
Bünheim, Hermann. Burmeister, Jürgen: Bahnen und Busse rund um den Langen Ludwig. Düsseldorf 1997
Honold, Klaus: Erste Liebe Linie 5. Gudensberg 2006
http://www.strassenbahn-darmstadt.de
http://www.tram-info.de
http://www.wikipedia.de